Tochter Der Traumdiebe
Eine der vielen mittelalterlichen Städte Deutschlands, die ich auf unserer eiligen Flucht nach Hameln gesehen hatte. Hoffentlich war ich nicht nur an den richtigen Ort, sondern auch zur richtigen Zeit zurückgekehrt.
Ein breiter Graben umgab die Insel, auf der die Stadt errichtet war. Die Insel hatte es nicht immer gegeben. Ich selbst hatte den Graben ausheben lassen, um eine Verteidigungsanlage für die Stadt zu schaffen, die allerdings nicht mehr an der ursprünglichen Stelle stand, an der ich sie zum ersten Mal erblickt hatte. Ich hatte alle Arten der Zauberei eingesetzt, um sie vor der Eroberung zu bewahren, doch alle Sprüche waren aufgehoben worden. Er hatte mich geschlagen.
Elrics Persönlichkeit hatte sich jetzt in den Vordergrund geschoben. Während ich ganz ans Ufer watete, hoffte ich, niemand hätte meine Strategie erraten, denn es war klar, dass Gaynor sich gleichzeitig auf mindestens drei Ebenen manifestieren konnte, zweifellos mithilfe seiner übernatürlichen Herrin. Miggea, der Herzogin der Ordnung. Lady Miggea.
In Mu Ooria hatte sie nicht durchdringen können, doch hier beherrschte sie die Welt. Nur an genau dieser Stelle, jenseits des Wassergrabens, konnte ich etwas Sicherheit vor Miggeas kaltem, erbarmungslosem Zugriff finden. Aber auch diese Sicherheit war bereits gefährdet.
Ich war nass und durchgefroren. Meine Kleidung erschwerte jede Bewegung. Ich zog die Mütze vom Kopf und presste das Wasser aus den langen Haaren. Vorsichtig und mit gespannten Sinnen tappte ich zum Ufer, die Hand bereit, das Schwert jederzeit blank zu ziehen.
Erst jetzt wurde mir bewusst, wie erschöpft ich war. Es fiel mir schwer, einen müden Fuß vor den anderen zu setzen. Ich wusste immer noch nicht, ob ich wirklich richtig angekommen war. Was ich sah, schien zu stimmen. Doch die Kunst des Illusionisten besteht ja gerade darin, dass der Betrachter genau diesen Eindruck hat…
Ich hatte mich zu sehr an Täuschungen gewöhnt. Soweit ich es in diesem Augenblick sagen konnte, war ich ganz allein in einer Welt, in der es weder Menschen noch Götter gab. Oder beobachteten mich auch jetzt noch tausend Jahre alte Augen aus der Ferne?
Ich dachte, ich hätte einen Schritt gehört. Ich hielt inne. Sehen konnte ich nicht viel. Nur die Umrisse einiger Büsche und Bäume und die Silhouette der Stadt vor mir. Automatisch hob ich das Schwert. All die Energie, die wir zusammen gestohlen hatten, all die Seelen, die wir gespeist hatten, waren auf der Reise durch den Strudel verloren gegangen. Ich fühlte mich wieder schwach, ich war benommen.
Stimmen. Ich bereitete mich auf den Kampf vor.
Ich glaube, ich fiel auf den Rücken, verlor aber nicht völlig das Bewusstsein. Ich bemerkte, dass Gesichter auf mich herabschauten und hörte, wie mein Name ausgesprochen wurde.
»Das kann er nicht sein. Man hat uns gesagt, nichts könne den Zauber aufheben. Schau dir nur die verrückte Kleidung an. Das ist ein Dämon, ein Gestaltwandler. Wir sollten ihn töten.«
Ich wollte mich in die Auseinandersetzung einschalten und ihnen erklären, dass ich trotz meiner Aufmachung ganz gewiss Elric von Melnibone« sei, dann aber ließen mich die Sinne völlig im Stich. Ich träumte von Schatten, die mich irgendwie zu drängen schienen, bemühte mich, wieder zu mir zu kommen. Doch es war sinnlos. Ich war zu schwach, um Widerstand zu leisten oder zu fliehen.
Ich glaubte, ich könnte spöttisches Lachen hören. Das Lachen meiner Feinde.
Hatte man mich gefangen? War ich dazu verdammt, trotz aller Mühsal meine Stadt nie wiederzusehen?
Dunkelheit umfing mich. Ich hörte meine Häscher flüstern. Das Bewusstsein schwand.
Ich wusste, dass ich versagt hatte.
Ich wollte das Schwert heben, dann wurde ich endgültig von der Dunkelheit verschluckt.
Träume flohen vor mir. Wichtige Träume. Träume, die mich retten konnten. Eine weiße Häsin auf einer weißen Straße.
Ich versuchte ihr zu folgen, wachte in einem sauberen Bett auf und sah mich in einem vertrauten Zimmer um. Vor mir stand ein kräftiger rothaariger Bursche mit breitem Mund und Sommersprossen. Einfach, aber nicht ohne Geschmack mit grünen und braunen Sachen bekleidet.
»Mondmatt?«
Der Rothaarige grinste.
»Dann weißt du also, wer ich bin, Prinz Elric?«
»Es wäre doch seltsam, wenn ich es nicht wüsste.« Ich weinte vor Erleichterung. Ich hatte die Rückkehr geschafft. Und Mondmatt, der mich bei mehr als einem Abenteuer begleitet hatte, wartete auf mich. So dumm es auch klingt, ich
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