Tochter Der Traumdiebe
diese Landschaft hier wirkte dagegen wie der versteinerte Tod. Mit nichts als dieser funkelnden Wüste vor Augen fühlte ich mich immer elender. Ich begann mit dem Gedanken zu spielen, mir ein Pferd zu nehmen und diese Welt zu erforschen.
Nachts träumte ich jetzt wieder von anderen Welten. Welten, die kaum von meiner eigenen zu unterscheiden waren. Ich träumte von Bek, auch wenn ich es nicht erkannte. Ich träumte von Uniformierten, die mir das Schwert stahlen und mich folterten. Ich träumte von gewonnenen Schlachten und verlorenen Geliebten, von gewonnenen Geliebten und verlorenen Schlachten. Ich träumte von entsetzlichen Landschaften und atemberaubenden Anblicken in der Natur. Ich träumte von unmöglichen Wegen in der Zukunft und möglichen Erlebnissen in der Vergangenheit. Ich träumte von Cymoril, meiner ermordeten Frau, die mich anflehte, während ihre Lebenskraft in die meine überging. Ich wachte schluchzend auf.
Mondmatt, der nebenan schlief, gewöhnte sich an, sich die Decke über die Ohren zu ziehen.
Ich träumte natürlich von meiner Vergangenheit ebenso wie von der nächsten Zukunft. Ich träumte von der Welt, die ich vorfinden würde. Die Welt meiner Albträume, die zur Realität wurde.
Die Strategie der Ordnung ging offenbar dahin, kurz innezuhalten, um neue Kräfte zu sammeln, damit sie uns überrennen konnten. Wir sprachen über unsere missliche Lage, wussten aber keinen Ausweg. Es gelang mir nicht, noch einmal übernatürliche Hilfe zu rufen. Lady Miggea beherrschte offenbar fast das gesamte Reich, in dem wir uns befanden. Wir waren verzagt und wussten nicht, wie wir uns der Ordnung widersetzen sollten. Das Chaos hatte mehr als einmal versucht, Tanelorn einzunehmen, doch soweit wir wussten, hatte es noch nie einen Angriff der Ordnung gegeben.
Aus irgendeinem Grund glaubte niemand, dass wir alle sterben würden. Vielleicht hatte Tanelorn seine Unverwundbarkeit schon hinlänglich bewiesen, als die Weiße Horde sich vor der Stadt geteilt hatte. Vielleicht konnten sie nicht eindringen. Eine größere Kraft hinderte sie daran. Vielleicht mussten sie, genau wie viele Götter und Elementargeister, von sterblichen Helfern eingeladen werden, wenn sie die Reiche der Sterblichen betreten wollten. Und außerdem gehörte Tanelorn genau genommen nicht einmal in dieses Reich.
Unsere Spekulationen nützten uns wenig. Es war unmöglich, die nächsten Schritte der Ordnung vorherzusagen. Unmöglich zu erkennen, welche Absichten sie verfolgte.
Wir unternahmen einige Versuche, die weiße Häsin zu finden, aber sie hatte offenbar gewartet, bis sich die Aufregung gelegt hatte, um wieder in ihr eigenes Revier zu verschwinden.
Ich vertraute Mondmatt an, dass es mir langweilig wurde. Wenn nicht bald ein Angriff auf die Stadt begann, wollte ich weiterreiten. Er bot mir nicht an, mich zu begleiten. Ich glaube, es kam ihm beinahe so vor, als würde ich Tanelorn im Stich lassen.
Eines Nachmittags dann, als die Sonne die Aschefelder blutrot färbte, kam ein Reiter in einer Rüstung auf einer weißen Wölfin die Hügel herunter nach Tanelorn geritten. Er schrie vor den Toren der Zufahrt herum und verlangte, man solle mich rufen.
Der prahlerische silberne Ritter hatte sich mit noch mehr bunter Seide geschmückt als beim letzten Mal, als wollte er den nüchternen Geschmack der Ordnung verspotten. Überheblich hielt er sich im Sattel. Das Wasser des Grabens spiegelte die Rüstung, die beinahe aus Quecksilber zu bestehen schien.
Immer noch namenlos.
Er erkannte mich, kaum dass ich am östlichen Burgfried auftauchte und zu den Wehrgängen hinaufstieg, und machte eine ausholende Geste. Irgendein Gruß, den ich nicht kannte.
»Guten Morgen, Prinz Elric.«
»Guten Morgen, Sir Unbekannt.«
Lautes Lachen drang aus dem Helm, als hätte ich einen köstlichen Witz zum Besten gegeben. Dieses Geschöpf benutzte jede Waffe, die man sich nur denken konnte, einschließlich feiner Schmeichelei und charmanter Worte.
An diesem Morgen gab er sich plump und einfach und offen.
»Ich will nicht Eure Zeit verschwenden, Mylord«, erklärte er. »Als Ritter des Gleichgewichts und Diener der Ordnung bin ich gekommen, um Eure Herausforderung anzunehmen. Mann gegen Mann, wie Ihr gesagt habt. Außerdem biete ich Euch einen Handel an.« Er sprach mit leicht aufdringlichem Tonfall wie die Händler oder Männer, die eine Anstellung suchen und etwas verkaufen wollen, das man eigentlich nicht will oder braucht.
»Ich habe den Eindruck, dass die
Weitere Kostenlose Bücher