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Tochter Der Traumdiebe

Tochter Der Traumdiebe

Titel: Tochter Der Traumdiebe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Moorcock
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überhaupt keinen physischen Körper besaß, denn dies war nur meine träumende Seele, die durch eine verzauberte Welt wanderte.
    Die widerstreitenden Gefühle halfen mir nicht, meine Lage zu verbessern. Ich wusste nicht einmal, ob dies nicht alles ein Teil von Miggeas Falle war. Ich wusste nicht, welchen Weg ich wählen sollte. Ich schaute die komplizierte Anordnung an und sah Millionen Wege vor mir liegen, jeder wie ein Lichtstrahl, auf dem Millionen Geschöpfe jeglicher Art wandelten. Ich wusste, dass es so etwas wie ein Vakuum im Multiversum nicht gibt, da jeder Raum, auch der scheinbar leere, bewohnt ist. Ich sah die Straßen, als wären sie die Zweige eines riesigen silbernen Baumes. Ich wusste, dass dies die Grundstruktur des Multiversums war. Trotz meiner jüngsten Erlebnisse beschloss ich, meinen Instinkten zu vertrauen und einem kleinen Zweig zu folgen, der von einem kräftigeren Ast abging.
    Ich setzte einen Fuß auf die helle Straße, die leicht nachgab. Sie machte das Laufen zum Vergnügen. Im Handumdrehen hatte ich ein halbes Dutzend Äste hinter mir gelassen und ging zu dem Zweig, den ich mir ausgesucht hatte. Doch unterwegs wurde mir bewusst, dass das Geflecht der Zweige dichter war, als ich zunächst angenommen hatte. Ich steckte auf einmal in einem Gewirr kleiner Ranken, die mir den Weg versperrten und die ich nicht ohne weiteres wegschieben konnte. Mein Körper fühlte sich leicht und substanzlos an und so bestand nicht die Gefahr, dass ich die Äste zerbrechen konnte. Es schien mir, als bewegten sich auch auf allen anderen Ästen winzige Gestalten, genau wie ich mich auf meinem bewegte.
    Nach einer Weile fand ich eine Möglichkeit, mich durch die Ranken zu arbeiten, ohne allzu viel durcheinander zu bringen. Ich hatte den Eindruck, dass irgendwo da oben noch ein anderes Wesen war, viel größer als ich, vielleicht eine andere Version meiner selbst, die sich behutsam bewegte, um mich nicht vom meinem Ast zu werfen.
    Irgendwann hielt ich inne. Ich trug nicht mehr die üblichen Kleider, sondern eine volle melnibonelsche Kriegsrüstung. Nicht die geschmückte Paradeuniform, wie man sie zu feierlichen Anlässen anlegte, sondern die wirkungsvolle Schutzhülle, die ein Mann im Kampf benutze, wenn es galt, feindliche Klingen abzuwehren. Allerdings schien die Rüstung so wenig wie mein Körper ein Gewicht zu haben. Allmählich bekam ich den Verdacht, ich wäre schon gestorben und hätte mich in eine Art ruhelos wandernden Geist verwandelt. Wenn ich noch lange hier blieb, würde ich wahrscheinlich ganz und gar meine Gestalt verlieren und mit der Atmosphäre verschmelzen, um von den Lebenden eingeatmet zu werden wie Staub.
    Ich hatte mich verirrt und lief auf schmaleren, immer stärker gekrümmten Ästen entlang. Ich dachte schon, dass ich den letzten Zweig ganz am Rand des Multiversum-Baumes bald erreichen müsste, und empfand Verzweiflung, als ich sah, dass der Weg durch einen Tunnel führte, der aus Weidenzweigen geflochten schien.
    Jenseits des Tunnels machte ich eine seltsame geformte Hütte aus, die anscheinend über Jahrhunderte mit immer neuen Schichten Stroh gedeckt worden war. Die Ziegel hatte man offenbar aus allen möglichen Winkeln der Welt zusammengesucht, die Fenster waren in seltsamen Winkeln eingebaut und von eigenartiger Form, die Tür war schmal und hoch, der Schornstein wie ein Korkenzieher gedreht. Unterm Dach der kleinen Veranda hingen Körbe mit blühenden Blumen und ein Vogelkäfig. Darunter saß eine schwarzweiße Schäferhündin, deren Zunge weit aus dem Maul hing, als hätte sie gerade ein anstrengendes Tagewerk hinter sich.
    Die liebliche ländliche Szene machte mich besonders misstrauisch. Ich hatte mich an Fallen und Täuschungen gewöhnt. Meine Feinde schienen Freude daran zu finden, Versprechungen zu machen, die sie nicht halten wollten, als hätten sie gerade erst entdeckt, wie wirkungsvoll eine Lüge sein kann. Wenn dieses Bild eine Lüge war, dann war es eine raffinierte Lüge. Alles sah vollkommen aus, aus dem Schornstein stieg sogar eine Rauchfahne, es roch nach Gebackenem und im Haus war ein vertrautes Klappern zu hören.
    Ich sah mich um. Hinter mir erstreckte sich das gewaltige Multiversum. Das große Netzwerk erfüllte all die Myriaden von Dimensionen, die Zweige erstreckten sich bis in die Unendlichkeit. All sein Licht schien auf diese kleine Hütte herunter, die unmittelbar an einem Abgrund stand. Dahinter lag ein großer dunkler Wald. Ich wollte weitergehen, fand

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