Tochter Der Traumdiebe
dies aber schwieriger als zuvor. Die Rüstung wog schwer. Mein Körper war müde, auch wenn ich mich stark fühlte. Von einem Augenblick auf den anderen hatte ich einen Körper bekommen!
Ich öffnete das Tor vor der Hütte und schlurfte über den mit Schieferplatten ausgelegten Weg, um an die Tür zu klopfen. Ich dachte noch daran, den Helm abzunehmen. Es war ein seltsames Gefühl, den Helm mit den Kanten und Verzierungen unter dem Arm zu tragen.
»Kommt herein, Prinz Elric«, rief eine fröhliche junge Stimme. »Wie es scheint, könnt Ihr Euch manchmal durchaus auf Eure Instinkte verlassen.«
»Manchmal, Madam.« Ich trat durch die schmale Tür und stand in einem Raum mit niedriger Decke, schwarzen Balken und weiß verputzten Wänden. Auf dem Boden lag ein prächtiger Teppich, die Wände waren mit Tüchern geschmückt, die in lebhaften Farben alle Arten von menschlichen Erfahrungen darstellten. Ich war erstaunt über den reichen Schmuck, nachdem das Äußere so bescheiden gewirkt hatte.
Eine junge Frau kam aus dem Nebenraum, offenbar die Küche, herüber und wischte sich Mehl von Händen und Armen. Das Pulver fiel als silbriger Schauer auf den dicken braunen Teppich. Sie schnüffelte und nieste, dann entschuldigte sie sich. »Es kommt mir vor, als hätte ich schon eine Ewigkeit auf Euch gewartet, Mylord.«
Ich wusste nichts zu sagen. Vor mir stand eine von meiner eigenen Art. Sie war von außergewöhnlicher Schönheit, hatte eine markante Nase und schräg angesetzte Augen, zierliche und kleine, etwas spitz zulaufende Ohren. Die Augen waren rot wie frische Erdbeeren und saßen in einem Antlitz, das die Farbe von gebleichtem Elfenbein hatte. Das lange, weiße Haar fiel in weichen Wellen über die Schultern. Sie trug ein einfaches Hemd und Hosen, über die sie eine grobe Leinenschürze gebunden hatte. Und sie lachte mich aus.
»Wie ich sehe, hat Euch mein Freund Jermays auf den richtigen Weg gebracht.«
»Wer war der kleine Mann?«
»Ihr werdet ihn vielleicht gelegentlich wiedersehen.«
»Vielleicht?«
»Wir sehen uns immer wieder. Oft gerade in einem Augenblick, wenn unsere Geschichten sich zu verändern beginnen. Manchmal verändert sich das Schicksal eines Menschen auch sehr nachhaltig und eine neue Geschichte wird geboren. Ein neuer Mythos, der ins Netz der alten eingewoben wird. Ein neuer Traum.«
»Ich träume dies hier. Ich träume Euch. Deshalb träume ich auch diese Unterhaltung. Heißt das, dass ich verrückt bin? Hat der Zauber, der mich schlafen lässt, auch mein Gehirn beeinträchtigt?«
»Oh, in gewisser Weise träumen wir uns alle gegenseitig, Prinz Elric. Es sind unsere Träume und unsere Sehnsüchte, die uns so unterschiedlich machen und die uns in einen Gegensatz zu so vielen Dingen und Menschen setzen.«
Die junge Frau machte sogar Gesten, die ich wiedererkannte.
»Würdet Ihr, Madam, mir die Ehre erweisen und Euren Namen nennen?«
»Die Traumdiebe und Gestaltwandler, bei denen ich aufwuchs, nennen mich die Weiße Häsin. Meine Mutter nennt mich jedoch Oona, wie es bei ihrem Volk der Brauch ist.«
»Dann heißt Eure Mutter Oone?«
»Oone die Traumdiebin. Und ich bin Oona, die Tochter der Traumdiebin. Oonagh wird der Name meiner Tochter sein.«
»Oones Tochter?« Ich zögerte. »Und meine?«
Sie kam lachend zu mir. »Ich halte das für sehr wahrscheinlich, meinst du nicht?«
»Ich wusste nicht, dass … dass es dich gibt.«
»Oh, und wie es mich gibt, mein Vater.«
Das Wort traf mich mit der Gewalt einer Flutwelle. Vater! Ein Gefühlsschlag, härter als jeder Schwertstreich. Ich wollte es verleugnen, ich wollte irgendetwas sagen, um mir selbst zu beweisen, dass ich nur träumte. Ich wollte, dass diese Tatsachen verschwanden. Doch die Augen konnten mich nicht täuschen. Ihre ganze Erscheinung war der Beweis, dass sie Oones und meine Tochter war. Ich hatte Oone eine Weile geliebt. Wir hatten zusammen die Festung der Perle gesucht. Doch als ich mich daran erinnerte, kam mir noch ein weiterer Gedanke. Schon wieder eine Hinterlist!
»Es ist nicht genug Zeit vergangen«, widersprach ich. »Du bist zu alt, um meine Tochter zu sein.«
»Auf deiner Ebene mag dies so sein, mein Vater, aber nicht hier. Die Zeit ist keine Straße, sie ist ein Ozean. Ich glaube, du hast mit meiner Mutter hier in diesem Reich eure Freundschaft gepflegt.«
Ihre Ironie gefiel mir.
»Deine Mutter …«, begann ich.
»Sie interessiert sich nicht mehr für diese Welten, auch wenn sie gelegentlich noch das Ende
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