Tochter des Drachen
kehrte sein Zeitgefühl zurück.
Sie hatte die Magnetbahnen vor sechs Minuten stillgelegt, aber für Priscilla Recinto war es, als wären seitdem sechs Jahre vergangen, wenn nicht sieben. Die Stadt war verdunkelt, und dadurch sah sie alles viel besser: Die gigantischen Rümpfe der beiden Landungsschiffe, von grünen Lichtern nachgezeichnet; die bleistiftdünnen Pfeile der Laserschüsse; die orangefarbenen Feuerbälle der detonierenden Autokanonengranaten. Bei jedem Schuss eines der Geschütztürme erschütterte ein dumpfes Wummern die Kuppel, die Fensterscheibe vibrierte unter ihren Fingerspitzen und das ganze Gebäude schwankte.
Plötzlich - ein gewaltiger, ohrenbetäubender Donnerschlag. Recinto blinzelte gegen einen gleißend grellen gelben Lichtblitz an. Das Licht kam von oben. Ihr Blick zuckte gerade noch rechtzeitig aufwärts, um ein Stakkato von Explosionen aufflammen zu sehen, als die in Turm Beta eingelagerte Munition hochging. »Oh, Gott!«, keuchte sie. O'Mallory stand direkt neben ihr. Sie griff mit der Linken nach seinem Arm, fand ihn auch, drückte ihn. »Oh, mein Gott. Oh, mein ...«
Hoch über ihnen zerriss ein knirschendes Kreischen die Luft, als sich der Geschützturm auf dem Titangeflecht der Kuppel verdrehte. Dann erklang ein deutliches Krachen, und noch dachte Recinto: Vielleicht ist es gar nicht so schlimm. Vielleicht müssen wir nur eine Reparaturmannschaft hinaufschicken. Ja, ja, genau. Den Bruch abdichten, so klein wie er ist, so schnell kann die Luft nicht entweichen ...
Und dann hörte sie etwas anderes. Etwas Neues. Ein Zischen. Erst leise, dann zunehmend lauter, wie die Drohung einer riesigen verborgenen Schlange ... oder eines Drachen.
O'Mallory nahm Präfektin Priscilla Recinto in die Arme, und sie klammerte sich an seinen Jackenaufschlag, drückte das Gesicht an seine Brust. Kurz darauf fühlte sie, wie seine Hände ihre Kopfhaut streichelten und sich um ihren Hinterkopf legten, ebenso wie ihr Vater es getan hatte, als sie noch ein Kind gewesen war, wenn sie einen Albtraum gehabt hatte.
Und dann - schmerzten ihre Ohren. Und sie dachte: Das ist übel. Das ist übel, wenn die Ohren schmerzen, denn es bedeutet einen Druckverlust. Die Kuppel verliert Druck. Die Kuppel wird...
Sie wollte sich lösen, aber O'Mallorys Hand hielt sie fest und sie hörte ihn sagen: »Schau nicht hin, Mädchen, schau nicht hin.«
Und dann barst die Phoenix-Kuppel.
Conqueror's Pride, Proserpina Präfektur III, Republik der Sphäre
25. Juni 3135
Crawford verstummte, aber Katana blieb stumm. Ihr Gesicht war eine einzige Maske der Schmerzen. Das hatte er erwartet. Es hätte ihm Sorgen gemacht, hätte die Nachricht sie nicht wie ein Hammerschlag getroffen: Chinn und Sully tot, Ancha und Sadachbia verloren; Magruder und ihre Leute vermutlich ebenfalls tot.
Katana räusperte sich mit sichtlicher Mühe. »Irgendeine Vorstellung davon, wer der Verräter sein könnte?«
»Also mir fällt nur einer ein.«
»Fusilli?«
»Ja.«
Nach kurzer Überlegung schüttelte Katana den Kopf. »Die Sache ist nur die: Ein Teil seiner Informationen war absolut korrekt. Vielleicht hat man ihn entlarvt.«
Crawford dachte nach, dann nickte er. »Gut, das kann ich akzeptieren. Er war bei Magruder, und soweit wir wissen, hat dort niemand überlebt. Aber diese Sache mit dem Versuch, die Truppen zum Überlaufen zu überreden ... Wir können froh sein, dass McCain rechtzeitig aufgetaucht ist.«
»Dass wir den letzten Killer nicht verfolgt haben, war noch hilfreicher«, stellte Katana fest. Das hatte Sagi das Licht sehen lassen und ihn überredet, Des Drachen Zorn seine Dienste und die seiner Leute zu >spenden<. Einschließlich ein, zwei Landungsschiffen als Nachhilfe bei der Überredung, und nicht zu vergessen einem Kader Yakuza. Seufzend zwickte sie sich mit Daumen und Zeigefinger den Nasenrücken.
»Aber wir wissen immer noch nicht, ob wir uns einmischen sollten.«
»Natürlich sollten wir das. Sakamoto hat unsere Leute getötet.«
»Wenn wir uns einmischen, wird er vermutlich noch eine Menge mehr töten.«
»Tod und Teufel, das sind meine Leute, die da draußen liegen und verwesen, meine und die Magru-ders, und Sie wollen mir erzählen ...»
»Jeder einzelne Tote da draußen ist einer von meinen Leuten«, stellte Katana leise fest. »Meine Soldaten ... und Chinn.«
Verlegen entschuldigte er sich. »Verzeihung, Tai-sho. Ich fühle mich nur so ... machtlos.«
»Das verstehe ich.« Katana atmete lange aus, dann erhob sie
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