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Tochter des Glücks - Roman

Tochter des Glücks - Roman

Titel: Tochter des Glücks - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: C. Bertelsmann
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auffällt.
    Kumei spricht leiser. »Vergiss mich, denken wir lieber an die Küsse für dich. Ein Tiger braucht einen praktisch denkenden und braven Hund. Wirklich, ein ideales Paar.« Sie seufzt theatralisch und bekräftigt damit nur, dass sie mich hänselt. »Du könntest es aber auch mit der freien Liebe probieren, immerhin leben wir in der Neuen Gesellschaft.« Dann wendet sie sich an Tao: »Guten Morgen, Tao. Gehst du zu den Feldern? Möchtest du uns begleiten? Genossin Joy ist heute Morgen sehr still. Sie lebt wahrscheinlich noch nach der Stadtzeit. Vielleicht kannst du sie aufwecken.«
    Ich werde rot. Das passiert jedes Mal, wenn ich Tao sehe, aber auch seine Wangen färben sich rot.
    Er fährt sich durch die stacheligen Haare und grinst. »Ich könnte unserer Genossin aus der Stadt vielleicht helfen.«
    In diesem Moment tritt Taos Mutter zu ihrem Sohn auf den fest gestampften Boden vor dem Hauseingang. Die Ärmel ihres geflickten Hemdes sind bis zu den Ellbogen hochgekrempelt, als wollte sie gleich wieder Wäsche waschen oder Gemüse einsalzen. Auf den Rücken hat sie ein Kind gebunden, und drei weitere Kinder drängen sich wie kleine Küken um ihre Beine. (Der Vorsitzende Mao hat die Massen ermutigt, viele Nachkommen zu zeugen, damit China viele Überlebende hat, um die Bevölkerung im Fall eines Atomangriffs durch Amerika rasch wieder aufzustocken. Außerdem hat er gesagt: »Jeder Magen bringt auch zwei Hände mehr.« China braucht diese Hände zum Aufbau der Neuen Gesellschaft, und Taos Eltern haben das Ihre dazu beigetragen.) Taos Mutter sieht mich gereizt an und sagt zu ihrem Sohn: »Komm nach Hause, sobald du fertig bist. Ich habe eine einfache Mahlzeit für dich vorbereitet. Einfach, denn das genügt unserem Geschmack.«
    Irgendwie ist Taos Mutter zu den Schluss gekommen, dass ich anspruchsvoller bin. Vielleicht wegen des Kleides, das ich am ersten Abend hier getragen habe. Oder sie hat Angst, dass ich ihr Tao wegnehme und ihn nach Shanghai bringe. Wir leben vielleicht im Neuen China, aber für diese Leute hat Shanghai etwas Geheimnisvolles, Dekadentes und Sündhaftes.
    Tao springt von der Terrasse herunter und läuft voran. Ich habe festgestellt, dass im Dorf immer die Männer vorausgehen und die Frauen dahinter. Mir ist das egal, denn dann kann ich das anmutige Spiel seiner geschmeidigen Arm- und Beinmuskeln beobachten, während er den Hügel hinaufläuft.
    Wie gut, dass Kumei meine Gedanken nicht lesen kann.
    Wir erreichen die Kuppe des Hügels. Von hier aus sind zwischen den Hügeln oder an den Hängen fünf andere Dörfer zu sehen – jedes mit seinem eigenen Kollektiv. Auf Terrassen wachsen Teesträucher in säuberlich angelegten Reihen. Im Tal liegt schachbrettförmig vor uns ausgebreitet Nahrung im Überfluss: Reisfelder, Getreide, Hirse, Sorghumhirse, Süßkartoffeln und Heuweiden. Wir schlendern den Pfad hinunter und gesellen uns zu anderen aus unserer Arbeitsgruppe, die auch auf dem Weg zu den Feldern sind.
    An manchen Tagen arbeiten wir auf den Teeterrassen, pflücken Blätter und kümmern uns um die wichtigste Kulturpflanze des Gründrachendorfs. Oder wir klauben Süßkartoffeln auf, die dann getrocknet, gelagert und an das Vieh verfüttert werden. Wir haben auch schon im Wasser gearbeitet und Bewässerungsgräben gebaut, Brunnen und Teiche angelegt. Wir Frauen haben dabei mehr Glück als die Männer. Die Regierung hat eine Verordnung erlassen, die besagt, dass Frauen nicht bis zum Bauch im Wasser stehend arbeiten dürfen. Das ist irgendwie unheimlich, wenn man darüber nachdenkt, aber es sollen keine Infektionen über den Intimbereich in die Frauen eindringen. Doch heute arbeiten wir nur auf einem Maisfeld. Da alle Werkzeuge dem Kollektiv übereignet wurden, lassen wir uns Hacken und andere Gerätschaften vom Leiter der Arbeitsgruppe aushändigen.
    In Gegenwart der anderen achte ich sehr auf meinen Umgang mit Tao. Wenn er direkt in das uns zugeteilte Feld hineinmarschiert, bleibe ich noch ein wenig am Rand stehen und setze mir einen Strohhut auf das Kopftuch, um mich vor der Sonne zu schützen, bevor ich in die Reihen mit reifenden Maisstauden hinausgehe. Kumei ist vor mir. Sie wählt eine Furche neben Tao, aber ich gehe noch fünf Furchen weiter und treibe meine Hacke in den Boden, um Unkraut zu jäten.
    Vor einem Monat wusste ich noch nicht, wie das geht. Ich gab mein Bestes, aber ich war nicht gut und völlig erschöpft. Mir fiel einer meiner Professoren ein, der behauptet hatte, der

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