Tochter des Glücks - Roman
Schall trägt weit.
»Er ist besser als Feng Jin und seine Frau.« Yong schnaubt verächtlich. »Die beiden führen das Dorf seit der Befreiung. Früher hat sie für meinen Mann als Dienstmädchen gearbeitet. Er war Bauer und hat bei uns an der Tür gebettelt.«
»Wahrscheinlich können beide weder lesen noch schreiben.«
»Natürlich nicht, doch sie haben das Sagen.«
»Ach, aber dieser Tao!« Wieder spricht meine Mutter. Ich höre Humor durch, jedoch auch eine Spur Verachtung. » Hsin yan« , spuckt sie aus, gerade in dem Moment, als Z. G. und ich die Küche betreten.
Yongs Lachen verstummt. Kumei wirft mir einen Blick von der Seite zu. Z. G. stellt das Essen auf den Tisch. Betretenes Schweigen tritt ein, und ich weiß, dass meine Wangen knallrot geworden sind. Wörtlich übersetzt bedeutet hsin yan so viel wie Herz Auge , aber es bedeutet Entschlossenheit oder Begeisterung . Man kann es positiv interpretieren – gutherzig – oder negativ, dann bedeutet es, dass jemand etwas angestellt hat oder verschlagen ist. Ich kenne meine Mutter, deshalb weiß ich genau wie alle anderen, wie sie es interpretiert.
»Wir haben euch was zu essen gebracht«, sage ich mit einem sicherlich sehr steifen Lächeln. »Ich hoffe, ihr genießt eure Mahlzeit.« Dann nickte ich allen zu, verlasse die Küche und gehe hinaus auf den Gang. Ich atme die feuchte Luft ein und langsam wieder aus.
Die nächsten drei Tage laufen nach dem gleichen Muster ab: vor Sonnenaufgang aufwachen, wenn die Bekanntmachungen und die Militärmusik über die Lautsprecher ertönen, etwas zum Hochofen bringen, unserem Anführer mit der roten Fahne folgen, den ganzen Tag malen, in der Kantine essen und mich heimlich mit Tao davonstehlen. Unsere gemeinsamen Augenblicke sind immer intensiver geworden. Den ganzen vierten Tag hindurch merke ich, wie er mich beobachtet. An diesem Abend hilft Tao, das Essen für meine Mutter und Yong einzupacken. Er reicht Kumei die Behälter, die sich mit Ta-ming und Z. G. auf den Weg macht. Wir folgen ihnen, aber bei dem Pfad biegen wir ab und steigen den Hügel hinauf zu unserem geheimen Treffpunkt. Wir küssen uns. Wir tun andere Dinge. Wir küssen uns wieder, dann wenden wir uns der Aussicht zu. So weit das Auge reicht, leuchten die Hinterhofhochöfen in der Landschaft – eine Galaxie roter Sterne.
Ich weiß, was als Nächstes kommt, und ich bin bereit dazu. Ich bin mittlerweile zwanzig. Ich kenne mich, und ich weiß, was ich will. Aber Tao möchte den letzten Schritt nicht gehen, zumindest nicht jetzt sofort.
»Genossin Joy«, sagt er, »letzten Sommer habe ich dich schon gefragt, und jetzt frage ich dich noch einmal. Möchtest du mit mir zu Parteisekretär Feng und seiner Frau gehen und um eine Heiratserlaubnis bitten?«
Diesmal zögere ich nicht. »Ja!« Es ist ein Ja zu allem – zum Neuen China, zu der Kommune, zum Gründrachendorf, zu Tao und dem, was Eheleute tun – wie meine Mutter es immer so vornehm ausdrückte –, ohne dass wir uns Sorgen machen müssten, in Schwierigkeiten zu geraten.
Tao führt mich direkt zu den Fengs.
»Es wird aber auch Zeit!«, ruft Sung-ling.
Sie und ihr Mann sind hocherfreut. Wir erfüllen alle Kriterien, deshalb füllen sie gleich die Formulare für uns aus, die sie im Bezirksamt abgeben werden.
»Soll ich euch gleich für verheiratet erklären?«, fragt Feng Jin.
Das wäre uns beiden sehr lieb, aber Tao möchte es erst seiner Familie sagen, und ich muss es meiner Mutter und Z. G. erzählen. Hand in Hand gehen wir zum Hofhaus. Nie mehr müssen wir uns Sorgen machen, dass uns jemand sieht, auch wenn Zärtlichkeiten in der Öffentlichkeit nicht gerne gesehen sind, nicht einmal bei Ehepaaren. Tao wünscht mir am Eingangstor eine gute Nacht. Ich gehe durch die diversen Höfe zu dem Gebäude, in dem ich mit meiner Mutter und Z. G. wohne. Sie sind wach und sitzen in dem gemeinsamen Wohnraum. Das Licht der Öllampe flackert. Schatten tanzen an der Wand. Z. G. hat den gleichen Gesichtsausdruck wie damals im letzten Sommer, als er mir Vorhaltungen wegen Tao machte. Meine Mutter hat die Hände fest im Schoß verschränkt und sitzt aufrecht, aber ich merke, dass sie versucht, ihre Gefühle zu verbergen, wie üblich.
»Wo warst du?«, fragt sie leise. Die Ruhe in ihrer Stimme verrät mir, wie aufgebracht sie ist.
»Ich war mit Tao zusammen. Er hat mich gefragt, ob ich ihn heiraten will, und ich habe Ja gesagt.«
Sie nickt beinahe unmerklich. »Ja, damit habe ich gerechnet.«
»Das kommt
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