Tochter des Glücks - Roman
gar nicht infrage«, sagt Z. G. zu meiner Mutter. »Du musst es ihr verbieten.«
Sie achtet überhaupt nicht auf ihn. »Ich wollte natürlich immer nur, dass du glücklich bist«, fährt sie genauso ruhig fort. »Das weißt du doch, Joy, nicht wahr?«
»Ja«, antworte ich unsicher.
»Darf ich dir ein paar Fragen stellen?«
Ich weiß, was sie vorhat. Sie will mich zu einem Punkt bringen, an dem ich einsehe, dass ich einen Fehler gemacht habe, aber ich habe keinen Fehler gemacht. Ich bin glücklich und tue das Richtige. Nichts, was sie sagt oder fragt, wird etwas an meiner Meinung ändern.
»Glaubst du nicht, du bist zu gut für dieses Dorf? Siehst du nicht, dass du etwas Besseres bist als dieser Junge? Du warst auf der Universität, er kann weder lesen noch schreiben. Du musst dich nicht mit einem kleinen Rettich zufriedengeben. Du hast schon genügend Fehler in deinem Leben gemacht. Begeh nicht noch einen.«
»Dad konnte auch nicht lesen und schreiben«, sage ich. In dem Punkt kann ich ihr Kontra geben.
Meine Mutter zuckt zusammen. Ich habe ihr wehgetan, aber sie weiß genau, was sie sagen muss, um es mir heimzuzahlen. »Das ist richtig. Dein Vater konnte nicht lesen und schreiben. Er war ein Bauer. Weißt du noch, wie du dich über ihn lustig gemacht hast? Wegen des fetten Essens, seinem schlechten Englisch und seiner hinterwäldlerischen Art? Weißt du noch, wie du ihn verspottet hast, weil er die Namen der amerikanischen Präsidenten nicht wusste? Glaubst du, Tao kennt die Namen aller Kaiser?«
Das bezweifle ich, aber darüber mache ich mir keine Gedanken, denn mir ist ein neues Argument eingefallen. »Großvater Louie wollte immer, dass ich wieder nach China gehe. Er wollte, dass wir alle zurückkehren. Du selbst hast mich in die chinesische Schule geschickt, damit ich die Traditionen, die Regeln und die Sprache lerne. Du wolltest, dass ich ein richtiges chinesisches Mädchen werde, denn auch du hast dich hierher zurückgesehnt. Wie oft hast du mir erzählt, das Leben in China sei besser?«
»In Shanghai …«
»Richtig, in Shanghai. Nun ja, ich war dort. Das Gründrachendorf ist mir lieber.«
»Du meinst die Volkskommune Löwenzahn Nummer acht«, korrigiert sie mich, aber weshalb? Dann sagt sie: »Deine Haut war immer durchsichtig wie Reismilch. Möchtest du dein Glück aufs Spiel setzen?«
Stellt sie mir diese Frage stellvertretend für May? Ich weiß es nicht, aber ich antworte: »Ich war zuvor schon hier, und meiner Haut hat es nichts ausgemacht.«
»Du bist noch jung, und du warst nur ein paar Wochen hier. Denk doch, was ein Jahr, ein ganzes Leben mit dir anstellen wird. Mit einem Zentimeter Gold kannst du keinen Zentimeter Zeit kaufen.«
»So etwas ist mir egal. Ich bin nicht Tante May.«
»Aber du bist genauso stur wie sie«, entgegnet sie. »Wenn du hierbleibst, wirst du von der Hand in den Mund leben.«
»Du hattest schon immer Vorurteile gegen die Landbevölkerung und das Land.«
Das streitet meine Mutter nicht ab.
»Was ist denn mit den speziellen Bezugsscheinen, die du als Überseechinesin bekommst?«, fragt sie. »Und die Sonderbehandlung, die du als Tochter von Z. G. erhalten hast?«
»Ich will keine Sonderbehandlung«, antworte ich. »Ich will eine richtige Chinesin sein, keine Überseechinesin. Und ich brauche auch keine Sondergutscheine. Ich habe alles zu essen, was ich mir je wünschen könnte. Wir pflanzen es hier selbst an.«
»Tao will dich nur heiraten, weil er das Dorf verlassen will. Aus keinem anderen Grund«, wirft Z. G. plötzlich ein. »Er sieht vielleicht aus wie ein Bauernjunge, aber er will hoch hinaus. Er möchte nach Shanghai oder nach Peking. Doch das wird nicht funktionieren.«
»Ich weiß. Du hast mir selbst gesagt, er darf das Dorf nicht verlassen, und ich auch nicht, wenn ich ihn heirate. Du verstehst bloß nicht, dass ich hierbleiben will . Ich liebe Tao.«
Meine Mutter beugt sich vor. Sie verzieht den Mund zu einem kleinen, wissenden – ja, ich spreche es aus, einem boshaften – Lächeln. »Liegt das Problem nicht eigentlich darin, dass du schwanger bist?«
P EARL
In einer Blumensänfte
D as hätte ich nicht sagen sollen. Ich hatte mir vorgenommen, auf dieser Reise anders zu sein. Das sollte eine Chance sein, meine Tochter wieder zurückzugewinnen und Zeit mit Z. G. zu verbringen. Ich hatte mir vorgenommen, umgänglich zu sein, keinen Streit anzuzetteln und Joy zu zeigen, dass ich ihren Standpunkt verstehe und dem, was sie sucht, eine Chance gebe.
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