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Tochter des Lichts: Ein Hildegard von Bingen-Roman (insel taschenbuch) (German Edition)

Tochter des Lichts: Ein Hildegard von Bingen-Roman (insel taschenbuch) (German Edition)

Titel: Tochter des Lichts: Ein Hildegard von Bingen-Roman (insel taschenbuch) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Lise Marstrand-Jørgensen
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aber nur mit halber Aufmerksamkeit bei der Sache.
    »Hildegard ist ein frommes Kind, wie wir hören«, sagt Sophia und zwingt ihren Blick zurück auf die Frauen.
    Jetzt ist es Ursula, die nickt. Sie beugt sich vor, sodass der Busen auf der Tischplatte ruht.
    »Ja, man hat immer sehen können, dass dieses Kind etwas Besonderes ist.«
    »Ist das wahr?«, fragt Sophia.
    »Ja, ja«, lächelt Ursula, und Kristin stimmt bei.
    »Wir haben bei ihrer Geburt beigestanden«, sagt sie und dämpft die Stimme, »wir fürchteten, sie würde nicht überleben, aber durch ein Wunder des Herrn …«
    »Damals war es, als ihre Mutter sie Gott versprach«, unterbricht Ursula und klopft mit dem Zeigefinger auf den Tisch, um die Wichtigkeit ihrer Worte zu unterstreichen.
    »Wirklich?«, fragt Sophia, das hat sie vorher noch nicht gehört. »Wurde es damals beim Priester verzeichnet?«
    »Hm, nein«, Ursula kratzt sich mit zwei Fingern zwischen den Augenbrauen, »nein, das wurde es wohl nicht, aber sie sagte es Hildebert, der es Vater Cedric weitergesagt hat. Ist es nicht so, Bruder?« Sie beugt sich vor, sodass sie Hildebert sehen kann. »Ihr habt Hildegard Gott versprochen, als sie noch ein Säugling war?«
    Mit einem knackenden Geräusch dreht Hildebert den Kopf von einer Seite zur anderen. Dann nickt er ein einziges Mal, sagt aber: »Daran kann ich mich nicht erinnern.«
    »Ja aber, du warst es doch, der es mir damals erzählte«, beharrt Ursula. Ihr Hals färbt sich in einem hitzigen Rot.
    Hildebert zuckt mit den Schultern, ohne seine Schwester anzusehen. »Daran kann ich mich nicht erinnern.« Alle Augen ruhen auf ihm.
    »Ich habe es damals auch gehört«, flüstert Kristin, um ihrer Mutter zu Hilfe zu kommen, »ich war auch dabei.«
    Hildebert sieht auf. Er sitzt ganz still mit dem Messer in der einen, einem Stück Brot in der anderen Hand. Meinhardt lehnt sich im Stuhl zurück und faltet die Hände über dem Bauch. Es sieht so aus, als amüsiere ihn der Auftritt.
    »Wie geht es Mechthild?«, fragt Ursula mit weicher und zuvorkommender Stimme, »fehlten ihr die Kräfte für die Reise?«
    Mit einem Ruck wendet sich Hildebert ihr zu, und sie weicht seinem Blick aus, indem sie sorgfältig ihren Brotteller auskratzt.
    »Es geht ausgezeichnet«, antwortet er nach einigen Sekunden des Schweigens, »genauso ausgezeichnet, wie es dir gehen würde, wenn …« Dann schweigt er, und Ursula sagt nichts mehr.
    »Sie ist wirklich ein frommes Kind«, versucht es Kristin an Sophia gewandt, aber die sieht Hildebert an und hört nicht zu, nur Jutta lehnt sich über den Tisch und tätschelt Kristins Hand.
    »Nun werden wir bald vom Erzbischof hören«, ruft Hildebert beinahe aus und nickt Jutta zu.
    »Ich bin so schrecklich ungeduldig.« Sie ringt ihre gefalteten Hände.
    »Er ist ganz schön dumm, wenn er ablehnt«, sagt Meinhardt und streckt Hildebert die Hand hin, als gäbe es etwas zwischen ihnen, das versöhnt werden müsse. Hildebert lässt seine Hand ein wenig in der Luft hängen, bevor er einschlägt. Meinhardtlegt seine andere Hand einen Augenblick darauf, bevor er loslässt.
    Hildebert nickt, Jutta schlägt ein Kreuzzeichen vor der Brust, und Sophia kann es fast nicht aushalten. Ein Gefühl überkommt sie. Als ginge etwas hinter ihrem Rücken vor, aber sie weiß nicht, was es sein kann, und findet keinen Ansatzpunkt, es zu erfragen.
    »Habt ihr jemanden gefunden, der euch im Kloster zu Diensten sein kann?«, fragt Ursula, die anscheinend sehr gut unterrichtet ist. »Hildebert sagte …« Sie nickt vielsagend in Richtung ihres Bruders, während sie den Mund mit Pastete vollstopft.
    Sophia glotzt wieder Hildebert an. Er war offenbar in Sponheim und hat seine Schwester besucht, sie aber gemieden. Sie bekommt Herzklopfen und stößt wütend das Dienstmädchen an, das Bier auf der Tischdecke verschüttet.
    »Nein, aber Gott wird uns ein Zeichen geben«, antwortet Jutta und faltet wieder ihre Hände. Sophia findet, ihre Tochter gleicht einem grauen und flügellahmen Vogel, der mit den Augen blinzelt.
    »Ich habe darüber nachgedacht«, sagt Meinhardt und streckt sich. Er macht eine Pause, während er seinen Blick langsam über alle Gesichter wandern lässt. »Vielleicht solltest du mitgehen, Mutter.« Er sieht Sophia an, die zuerst nicht begreift, was er sagt.
    »Ich?«, fragt sie und lacht kurz und atemlos. »Ich soll mitgehen? Als Dienerin meiner Tochter und Patentochter?«
    Als sonst niemand lacht, sieht Sophia sich ratlos um. Hat Hildebert

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