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Tochter des Lichts: Ein Hildegard von Bingen-Roman (insel taschenbuch) (German Edition)

Tochter des Lichts: Ein Hildegard von Bingen-Roman (insel taschenbuch) (German Edition)

Titel: Tochter des Lichts: Ein Hildegard von Bingen-Roman (insel taschenbuch) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Lise Marstrand-Jørgensen
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sie deshalb nicht besucht? Ist das der Grund, warum er und Meinhardt sich die Hand gegeben haben? Haben sie einen Handel über sie geschlossen?
    Sie erhebt sich, steht am Tisch und schwankt, setzt sich wieder. Es fühlt sich an wie damals, als sie als Kind von einem hohen Baum fiel, durch das Laub und die Zweige, und so hart im Gras landete, dass alle Luft aus ihr herausgepresst wurde. Kristin zupft nervös an ihrem Ausschnitt herum, bis Ursula ärgerlich ihre Hand wegzieht. Jutta sitzt mit geschlossenen Augen da und sieht aus, als ob sie beten würde. Nur die Männer haben das Gespräch wiederaufgenommen, und zum ersten Mal, seit er angekommen ist, beteiligt Hildebert sich eifrig. Sie sprechen über Wilddieberei und über Graf Gerberts Jagdfalken, der der schönste auf der ganzen Welt sein soll.
    »Das ist unmöglich«, sagt Jutta und legt beide Handflächen klatschend auf den Tisch.
    Meinhardt sieht seine Schwester verblüfft an. »Was ist unmöglich?«
    »Dass Mutter mit zum Disibodenberg kommt.«
    »Natürlich ist das möglich«, antwortet Meinhardt mürrisch und leert seinen Bierkrug in einem Zug, »warum in aller Welt redest du solchen Unsinn?«
    Jutta lässt sich von Meinhardts gereiztem Ton nicht entmutigen. Sie schließt die Augen und bewegt leicht die Lippen. Sophia hält den Atem an, selbst kann sie nicht gegen den Willen ihres Sohnes protestieren.
    »Nein«, sagt Jutta entschieden. »Nein, so kann es nicht werden. Das wäre nicht richtig.«
    »Richtig?« Meinhardt lacht. »Was sollte daran nicht richtig sein, dass deine Mutter ins Kloster geht?« Er nickt Sophia zu. »Das einzig Bemerkenswerte an einer gottesfürchtigen Witwe deines Standes ist, dass du nicht bereits Absprachen mit einem Kloster getroffen hast.«
    »Nein!« Jutta fährt hoch. Sie beugt die Ellbogen und ballt dieHände an ihren Schultern zu Fäusten. Hildebert lehnt sich zurück, aber Kuntz muss lachen beim Anblick der kleinen Frau, die aussieht, als wolle sie sich prügeln. Sie spreizt die Finger und bleibt mehrere Sekunden lang stehen, bevor sie fortfährt. »Es ist nicht richtig, denn wenn ich als Inklusin ins Kloster eintreten soll, muss ich für die Welt sterben und alles zurücklassen, was ich liebe.«
    »Und was ist mit deiner Mutter?«, fragt Meinhardt geradeheraus. In Sophia krümmt sich alles zusammen. Sie hat dafür gesorgt, dass er ausgebildet wurde, Rüstung und Waffen erhielt und gute Kleider. Es ist ihr Verdienst, dass das Gut blüht und gedeiht, und jetzt will er sie loswerden, um selbst regieren zu können.
    »Soll sie den Hof zusammen mit meinem Eheweib führen?«
    Ursula keucht, und Kristin fächelt sich mit beiden Händen Luft zu. Obwohl es kühl ist im Saal, schwitzt sie, dass ihr das Haar an der Stirn klebt.
    »Dein Eheweib?« Jutta lacht. »Noch bist du es uns schuldig, sie uns erst einmal vorzustellen!« Sie schüttelt den Kopf über ihren Bruder, als sei er ein Narr, und setzt sich wieder an den Tisch.
    »Ich bin kein Mönch«, sagt Meinhardt und schlägt die Hand auf den Tisch, dass sein Krug umkippt. Hildebert springt auf.
    »Nein, das bist du nicht«, sagt Jutta leise, »doch würde Mäßigung dir gut zu Gesichte stehen.«
    Meinhardt ist rasend vor Wut, aber er sagt nichts. Niemand kommt ihm zu Hilfe.
    »Das ist jedenfalls unter keinen Umständen möglich, Meinhardt«, sagt Jutta. »Du sollst deine Mutter ehren, und ich gehe alleine ins Kloster. Wohl hast du Macht, aber Gott sollst du nicht herausfordern.«
    Es kommt sehr gelegen, dass gerade der letzte Gang hereingetragen wird. Das Gespräch stottert und flüstert sich wieder in Gang. Sie wissen allesamt, dass Jutta recht hat, und Meinhardt ärgert sich darüber, dass er daran nicht gedacht hat. Hätte er nachgedacht, hätte er Jutta verweigern sollen, Inklusin zu werden, und ihr nur die Erlaubnis geben können, auf gewöhnliche Weise ins Kloster zu gehen. Dann würde sie sich nicht widersetzen können, von ihrer Mutter begleitet zu werden, und das Kind könnte sie wohl trotzdem mitnehmen. Aber nun liegt der Brief beim Bischof, und es bleibt ihm nichts anderes übrig, als zu hoffen, dass dieser es als eine komplett wahnwitzige Idee ansieht, eine junge Frau und ein Kind im Kloster einzusperren. Er ist es leid, ständig den Blick seiner Mutter auf sich zu spüren. Er wird heiraten, erträgt es aber nicht, dass sie sich in alles einmischen muss. Würde Hildebert ihn wenigstens unterstützen, so wie er es versprochen hat. Als Meinhardt sich in Mainz mit ihm traf,

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