Tochter des Nordens: Historischer Roman (German Edition)
Waffen mehr, aber er hatte noch sein Leben ... und den Willen, sich zu rächen. Für das, was man ihm angetan hatte. Was man seiner Geliebten angetan hatte.
Der Hass gab ihm die Kraft, nicht am Kopfschmerz zu vergehen, Schritt um Schritt zu setzen und Thure und seine Männer zu verfluchen. Weder von ihnen noch von den beiden Frauen war etwas zu sehen. Er lief durch den Wald, kam schließlich zu einem kleinen Fluss, wanderte an ihm entlang, bis die Bäume lichter wurden und der Weg, der den Fluss säumte, breit wie eine Straße.
Nach einigen Tagen traf Taurin auf einen Händler, der ihn voller Entsetzen musterte. Vielleicht war es auch ein Räuber, der sah, dass von ihm nichts zu holen war und so viel Hass in seinen Augen stand, dass er erschrocken floh.
Der Hass wütete weiter. Betrogen. Im Stich gelassen. Vollkommen allein.
Nicht zum ersten Mal war ihm das angetan worden. Doch diesmal galt ein Teil seines Ärgers sich selbst. Weil er leichtsinnig gewesen war, unaufmerksam, vertrauensselig.
Taurin berichtigte sich rasch. Nein, er hatte seinen Männern nicht vertraut, er vertraute seit Jahren niemandem mehr, nur sich selbst und dem Wissen, dass die Nordmänner des Bösen waren und ein Friede mit ihnen eine Sünde war.
Viel Frieden sah er allerdings nicht. Das Land schien verwaist, und als er schließlich doch auf bewohnte Orte stieß, senkten die Menschen ihren Schädel, sobald sie ihn erblickten. Nicht alle fürchteten seinen Hass, in manchen Augen glomm Mitleid auf, das verriet, dass er so erbärmlich aussah, wie er sich fühlte. Doch das Mitleid reichte nie so weit, dass sie ihm Hilfe anboten.
Er wollte sie ohnehin nicht. Er wollte allein sein mit seinem Hass.
Dieser Verräter ... dieser Schlangensohn ... dieser narbige Dämon Thure!, pochte die Wut in seinem Kopf wie der Schmerz. Ohne ihn hätte er nun die fränkische Prinzessin in seiner Gewalt, und mit der fränkischen Prinzessin hätte er seine Rache bekommen. Thure hatte ihm beides geraubt.
Was er ihm nicht geraubt hatte, war der Beutel mit Münzen, den er immer noch am Gürtel trug. Es waren nicht viele, aber genug, um sich etwas zu essen zu kaufen, dann und wann ein Dach über dem Kopf zu haben und die Bereitschaft der Menschen zu erlangen, ihm den Weg Richtung Rouen zu weisen.
Als die Mauern der Stadt aus der Ferne sichtbar wurden, wusch er sich in einem Teich das Blut vom Kopf. Es war längst verkrustet, desgleichen der Dreck, den er sich von Händen und Beinen rieb. Sein Anblick verstörte dennoch, denn die Wachen am Tor erhoben ihre Schwerter gegen ihn. Er zeigte keine Furcht.
»Ich bin Taurin, ich diene Popa, und ich kann auch mit Fäusten töten.«
Er wusste, dass das Unsinn war. Kein Knochen war so hart wie eine Klinge, keine Haut so reißfest wie ein Schild, kein Fingernagel so spitz wie eine Lanze. Aber die Wachen wichen zurück und ließen ihn hinein.
Er hatte lange überlegt, wie er vor Popa sein Versagen rechtfertigen könnte, in welche Worte er die Bitte kleiden sollte, ihn nicht sofort in den Kerker zu werfen, sondern ihm neue Männer zu geben, damit er sich wieder auf die Suche nach den Frauen machen konnte.
Doch Popa war nicht wütend und hasserfüllt wie er, sondern lachte, als er sie in ihren Räumen aufsuchte. Das verwirrte ihn. Zunächst dachte er, sein erbärmlicher Anblick amüsiere sie; dann verstand er jedoch, dass sie über etwas lachte, worüber in Rouen schon seit Tagen getuschelt wurde. Obwohl Rollos Taufe erst nach dem Winter angesetzt worden war, wurde schon jetzt darüber gestritten, ob er die lange weiße Kleidung eines Katechumenen tragen sollte oder nicht. Der Bischof bestand darauf, Rollo hingegen lehnte es schlichtweg ab. Er hatte schon viel getragen in seinem Leben, Lumpen und Seide, Leder und Pelz, aber noch niemals Weiß. Und noch eine andere Frage erregte die Gemüter: Nach der Taufe würde er von Kopf bis Fuß gesalbt werden, und die Priester waren sich nicht sicher, ob er sich zu diesem Zweck nackt ausziehen sollte oder es genügte, nur Stirn, Ohren und Nase zu salben. Doch Popa gab sich gewiss, dass Rollo sich trotz allen Grummelns am Ende dem Wunsch des Bischofs fügen würde.
Vielleicht lachte sie nicht, weil sie sein Widerwille gegen Weiß amüsierte, sondern weil sich der Heide, der sie, die Christin, geraubt und sich als der Stärkere erwiesen hatte, am Ende doch den Christen beugen musste. Irgendwie klang das Lachen traurig.
»Sie ist mir entkommen«, erklärte er in ihr Lachen hinein.
Er
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