Tochter des Nordens: Historischer Roman (German Edition)
zögerte kurz, dann gestand er sein ganzes Versagen ein, schonungslos, ohne Rechtfertigung, ohne Ausflucht.
Popa beugte sich zu ihm. Die üppigen Brüste erschienen ihm größer als je zuvor und bestätigten, was er bis jetzt nur vermutet hatte: Sie trug nach dem kleinen Wilhelm ein neues Kind unter ihrem Herzen. Dass dieses nur ein Bastard sein und sie nur die Konkubine bleiben würde, schien ihr aber nicht länger Sorgen zu bereiten.
»Es ist nicht mehr wichtig«, sagte sie.
»Wie meinst du das?«
»Ganz ohne mein Zutun schwächelt die Frankenprinzessin. Seit ihrer Ankunft in Rouen ist sie andauernd krank. Der Bischof macht sich ernsthafte Sorgen und rechnet täglich mit ihrem Tod.« Popa lächelte. »Den Winter übersteht sie nie und nimmer!«, schloss sie triumphierend.
»Sie ist nicht die Frankenprinzessin! Sie ist eine Betrügerin!«, rief Taurin.
»Aber die ganze Welt hält sie für Gisla«, gab Popa zurück.
»Ich werde die Wahrheit aufdecken, ich werde ...«
Das Lächeln schwand von ihren Lippen. »Nichts wirst du!«, erklärte sie hart. »Wenn diese Prinzessin«, sie spie das Wort förmlich aus, »stirbt, bin ich zufrieden. Ich kann keine gebrauchen, die noch lebt, verstehst du? Warum für Unruhe sorgen?«
»Ich soll nicht länger nach ihr suchen?«, rief Taurin entsetzt.
Popa ließ sich auf ihren Stuhl sinken. »Ich lasse dich frei, so wie ich es dir versprochen habe. Das ist es doch, was du immer wolltest.«
Der Mund wurde ihm trocken. Nein, das war es nicht, was er wollte, das war es nie gewesen. Er wollte etwas sagen, aber brachte keinen Ton hervor, und sie hielt seinen Hass für Reue und seine Ohnmacht für Dankbarkeit, weil sie sein Versagen belohnte, anstatt zu strafen.
»Du kannst gehen«, sagte Popa.
Sie entschieden, das erste Haus, das sie betreten hatten, als ihre Wohnstatt einzurichten. Es war in einem einigermaßen guten Zustand, und es bereitete Runa große Lust, es für sie herzurichten. Bis jetzt hatte sie sämtliche Körperkräfte einzig fürs Überleben eingesetzt - nun galt es, Ordnung und Behaglichkeit zu schaffen. Gewiss, dieses Zuhause war nur ein vorübergehendes, sie wollte das Herz nicht an einen Ort hängen, der nie ihre Heimat sein würde, doch für die Zeit, da sie bleiben würden, wollte sie ihn so wohnlich wie möglich machen.
Schon am ersten Tag kletterte sie aufs Dach, das mit Torf, Grassoden und Birkenrinde bedeckt war. An manchen Stellen klafften Löcher, und sie ging in den Wald, um neuen Torf und Reisig zu holen und das Dach abzudichten. Dann widmete sie sich den Wänden - sie band um schon etwas morsch gewordenes Flechtwerk neues aus Haselnusszweigen und steckte Moos, Schilf und kleine Zweiglein in die Ritzen. Zuletzt kümmerte sie sich um das Innere des Hauses: Zur Abstützung des Dachs verliefen parallel zu den Längswänden gesetzte Pfostenreihen, die morsch wie das Flechtwerk geworden waren. Mit der Axt, die Runa unter den Werkzeugen gefunden hatte, fällte sie Bäume, entrindete sie, schlug Scheite aus dem Stamm und hämmerte sie an die Pfosten, sodass sie dicker wurden und stabiler standen. Die Holzscheite, die übrig geblieben waren, schlug sie vor die Luke gegenüber der Tür, die früher wahrscheinlich mit einer Schweineblase geschlossen war und durch die nun der kalte Wind pfiff. Der Wind blieb seitdem draußen - das Licht aber auch. Die Hütte wurde nur vom Herdfeuer matt erhellt. Sie hatten keinen Tran für Lampen, aber genügend Torfstäbe gab es, und diese sammelten sie so blindwütig, als müssten sie nicht nur Wochen, sondern Jahre damit auskommen.
Mit jeder Stunde fühlte Runa sich heimischer. Und mit jeder Stunde wuchs der Triumph, dass sie der Zerstörung einen Neuanfang entgegensetzen konnte. Rastlosigkeit erwachte in ihr. Sie konnte nicht still sitzen, musste immer etwas tun, ließ kein Werkzeug unbenutzt, ganz gleich, ob sie es nun wirklich brauchte oder nicht. Sie schnitzte, sie hämmerte, sie sägte, sie nagelte.
Als es am Haus nichts mehr zu reparieren gab und sie genügend Brennholz gesammelt hatte, legte sie Vorräte an. Dank eines Angelhakens, einiger Netze und eines kleinen Bootes, das sich in einer Bucht am Meer fand, fing Runa mehr Fische, als sie je mit der bloßen Hand hatte fangen können. Sie ließ Meerwasser über dem Herdfeuer verkochen, und mit dem gewonnenen Salz rieb sie die Fische und auch getrocknete Algen ein, um sie haltbar zu machen. Was sie nicht als Vorrat anlegte, aßen sie frisch - und als der Hunger nicht
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