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Tochter des Nordens: Historischer Roman (German Edition)

Tochter des Nordens: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Tochter des Nordens: Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julia Kröhn
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sie jeden Stein umdrehen, um deine Tochter zu finden - diese Erlaubnis habe ich doch, oder nicht?«
    Sie blickte hartnäckig auf den Boden. Ihre Miene wurde so starr, als würde ihre Haut zu Eis gefrieren. »Erwarte nicht, dass ich dich darum bitte«, sagte sie erstickt. »Tu es einfach!«

K LOSTER S AINT -A MBROSE IN DER N ORMANDIE H ERBST 936
    Die Subpriorin hielt sich wacker, die zwei Schwestern, die ihr gefolgt waren, übergaben sich hingegen beim Anblick der Leichen.
    Auch der Äbtissin stieg ein galliger Geschmack in den Mund, doch sie schluckte ihn und fuhr die Schwestern scharf an: »Wenn ihr es nicht ertragt, geht wieder hinein!«
    Die beiden ließen es sich nicht zweimal sagen, sie stolperten über die eigenen Füße, als sie flohen. Die Subpriorin jedoch blieb an ihrer Seite. Der Schlachtlärm hatte geklungen, als würden Heerscharen aufeinandertreffen. An Leichnamen lagen hier jedoch nur fünf.
    Die Äbtissin überlegte, ob einige verletzt geflohen sein könnten oder ob ihre überreizten Sinne ihr einen weitaus wüsteren Kampf vorgegaukelt hatten, als er tatsächlich stattgefunden hatte.
    Die Subpriorin beschäftigte indessen etwas anderes mehr als die Zahl der Toten.
    »Das alles könnte mit dem Aufstand von Rioulf zu tun haben«, murmelte sie.
    Die Äbtissin zuckte mit den Schultern.
    Rioulf war ein Heide, der, einige Jahre zuvor aus dem Norden gekommen, gleichfalls heidnische Männer um sich geschart und sich gegen Wilhelm, den Herrscher des Nordmännerlandes, erhoben hatte. Wilhelm sei schwächlich und ein Christ, würde den Interessen seines Volkes nicht dienen und sei mehr Franke als Nordmann, hatte Rioulf behauptet. Er hatte Rouen belagert, stand kurz davor, die Stadt zu erobern, aber war von Wilhelm, der doch nicht so schwächlich war, wie Rioulf vermutete, am Ende zurückgeschlagen worden. Das war drei Jahre her, doch die Toten zu ihren Füßen konnten ein Zeichen dafür sein, dass die heidnischen Mächte Rache genommen hatten.
    Die Äbtissin starrte auf sie und fragte sich, ob wirklich nur ihre Vergangenheit und ihr Geheimnis Arvid in Gefahr gebracht und zu diesen Kämpfen geführt hatten. Oder ob sie nicht vielmehr in einen ungleich größeren Krieg geraten war, der nichts damit zu tun hatte, dass in Arvids Adern christliches und heidnisches Blut floss.
    In diesem Augenblick schien sein Blut zu stocken. Sie sah ihn wanken, sein Gesicht aschfahl und mit kaltem Schweiß bedeckt.
    »Franken«, murmelte sie, »tote Franken ... weißt du, was das bedeutet? Sind das die Männer, die dich angegriffen haben?«
    Es kehrte zwar keine Farbe in sein Gesicht zurück, aber durch seinen Körper ging ein Ruck. Er nickte - zumindest deutete sie die Kopfbewegung als ein solches. Ehe er auch sagen konnte, was ihm auf der Zunge lag, zuckte er zusammen, legte den Kopf schief, wie zuvor schon einmal, und lauschte ängstlich.
    Auch die Subpriorin starrte argwöhnisch in die Richtung, aus der sie das Geräusch vernahm: das Knacken von Holz, das Rascheln von Blättern, das Keuchen eines Pferdes.
    »Geh!«, rief ihr die Äbtissin zu.
    Sie zweifelte keinen Augenblick daran, was diese Laute bedeuteten: Ihre Angreifer waren nicht alle tot. Einer, vielleicht mehrere von ihnen waren zurückgekehrt.
    Eiskalt rann es der Äbtissin über den Rücken; Arvid indes griff schutzsuchend nach dem Amulett. Die Äbtissin sah der Subpriorin nach, wie sie ins Kloster flüchtete, dann drehte sie sich langsam, ganz langsam um.
    Zwischen den Bäumen stand ein Pferd. Von diesem Pferd sprang ein Reiter und trat auf sie zu. In all den Jahren hatte sie viele Feinde gehabt.
    Dieser, ging ihr auf, als sie ihn erkannte, dieser gehörte zu den schlimmsten.

X.
    N ORDMÄNNERLAND F RÜHLING 912
    Gisla erwachte, blickte sich um, orientierungslos, verwirrt, vor allem schlaftrunken, obwohl sie sich nicht einmal sicher war, tatsächlich geschlafen zu haben. Vielleicht war sie in tiefe Ohnmacht versunken. Vielleicht hatte Thures Gift sie betäubt.
    Die Abenddämmerung hatte sich über das Land gesenkt. Das Feuer war erloschen und Thure verschwunden. Gisla fühlte sich wie steif gefroren, doch als sie sich aufsetzte, schoss warmes Blut in ihre steifen Glieder, und es kribbelte schmerzhaft. Eine Woge von Übelkeit stieg in ihr hoch, ihr Magen verkrampfte sich, ihr Kopf dröhnte vor Schmerz. Schlimmer als all das war aber das Gefühl, entzweigerissen zu sein. Sie wurde von Panik ergriffen - und zugleich hegte sie die Hoffnung, dass sich all das nicht

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