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Tochter des Nordens: Historischer Roman (German Edition)

Tochter des Nordens: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Tochter des Nordens: Historischer Roman (German Edition)
Autoren: Julia Kröhn
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Boden berührten.
    Als sie den Hund erblickte, musste Gisla lächeln, doch das Lächeln schwand, als dem Hund drei Krieger folgten, dazu bestimmt, ihn zurück zu seinem Rudel zu holen, das den König zur Jagd begleiten würde. Die Krieger waren größer und mächtiger als alle Männer, die Gisla je gesehen hatte. Sie trugen ein Langschwert auf der einen und einen Dolch auf der anderen Seite ihres Gürtels, zudem einen runden Schild mit dickem hölzernem Griff, ein Wams, das in der Sonne silbrig glitzerte, und kniehohe Stiefel aus Leder.
    Die Krieger riefen einen Namen, den Gisla noch nie gehört hatte, und erst als der Hund ihnen gehorchte und über das Mäuerchen zu ihnen zurücksprang, ging ihr auf, dass es der Hund war, der so hieß, kein Mensch. Dann waren sie schon wieder verschwunden, ohne Gisla beachtet zu haben. Nur die zertrampelte Erde und das platt getretene Unkraut, das anstelle von Blumen hinter dem Mäuerchen wuchs, bewiesen, dass die Männer kein Trugbild gewesen waren.
    Gisla starrte ihnen mit aufgerissenen Augen nach. Entsetzen überkam sie, so gewaltig, dass sie vermeinte, sich übergeben zu müssen. Als im nächsten Augenblick die Amme auf sie zugelaufen kam, erbost schreiend, weil die Wüstlinge ihr Täubchen erschreckt hätten, und darauf bedacht, sie so schnell wie möglich zurück in die Kemenate zu scheuchen, da schwand die Übelkeit jäh, und ihr wurde bewusst, dass kein Anblick, so erschreckend er auch wäre, einen Menschen töten könnte. Und ja, sie war neugierig - nicht nur darauf, wer diese Männer waren und was sie dachten und redeten, sondern auch darauf, wie die Welt aussah, durch die sie auf ihren Pferden ritten, und ob die Feinde, gegen die sie die Schwerter erhoben, ihnen an Statur glichen. Nicht nur Neugier erwachte, sondern auch ein wenig Neid auf die jüngeren Halbschwestern, die mit dem königlichen Vater von Pfalz zu Pfalz reisten, behütet zwar wie sie, aber auf dem Weg dorthin frei genug, die Wiesen und Wälder zu betrachten, die Felder und Weinberge und all die Menschen, die darauf lebten.
    Eben beugte sich die Mutter zu ihr und riss sie aus ihren Gedanken: »Du musst keine Angst haben, Gisla«, sagte sie mit dieser kraftlosen Stimme, die einer Greisin zu gehören schien. »Es wird alles gut werden.«
    Gislas Blick fiel auf ihre Kleidung, die am Fußende ihres Bettes lag, dort, wo für gewöhnlich die Amme schlief - das Untergewand mit den weiten Ärmeln, der Gürtel mit den Edelsteinen, der Umhang aus Seide und der Schleier, der von einem Goldband gehalten wurde. Ob sich die Frauen der Nordmänner auch so kleideten? Oder ob sie nur Felle trugen wie Tiere, weil sie doch kaum anderes als Tiere waren?
    Rollo und Gisla.
    Gisla und Rollo.
    Der Gedanke erzeugte weder Schrecken noch Neugier. Er war zu undenkbar, um sie erschaudern zu lassen. Er lag hinter einer Grenze, über die zu lugen bedeutet hätte, dass ihr Kopf zerplatzen müsste. Und sagte nicht die Mutter immer wieder, es würde alles gut werden, sie würde es verhindern?
    Sie glaubte ihr.
    In der Amme hingegen erwachte Misstrauen. »Was wollt Ihr tun, wenn der König dieses Opfer doch fordert?«
    Fredegards Lippen wurden schmal. »Ich habe schon so viel geopfert«, murmelte sie. »Und er auch. In jungen Jahren war er unbeschwert und vergnügt - nun lebt er für die Pflicht und mit der Angst, jemand könnte ihn abhalten, sie zu tun. Mag er seine Seele hingeben für diese Pflicht - mein Kind aber nicht. Der Nordmann wird sie nicht bekommen.«
    Nun endlich fühlte Gisla, wie die Kälte aus ihren Gliedern schwand. Wärmestein und Kohlebecken trieben ihr den Schweiß ins Gesicht.
    »Aber wie wollt Ihr es verhindern?«, fragte Begga.
    »Ich habe einen Plan«, erwiderte die Mutter. »Und du musst mir helfen, ihn umzusetzen.«
    Runa schlug die Augen auf und tastete mit den Händen den Boden unter sich ab. Zu schlafen war gefährlich. Sie kannte alle Geräusche des Waldes, doch wenn sie im Schlaf zu ihr drangen, konnte sie die bedrohlichen nicht von den harmlosen unterscheiden. Sie war zu laufen gewohnt, zu klettern, zu kriechen, zu springen, zu schleichen, doch im Schlaf fehlte ihr die Beherrschung über jede Körperregung. Und wenn sie vom dunklen Reich der Träume in die hiesige Welt zurückkehrte, wusste sie oft nicht, wo sie war und gegen welche Gefahren sie sich zu schützen hatte - Gefahren, die von wilden Tieren des Waldes drohten oder von den Menschen.
    Seit sie sich hinter einem Felsvorsprung vor den Reitern versteckt
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