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Tochter des Nordens: Historischer Roman (German Edition)

Tochter des Nordens: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Tochter des Nordens: Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julia Kröhn
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Mörder in Wahrheit eine Frau war. Sofort eilte er zu Gisla und beugte sich über sie. Kaum war er auf die Knie gesunken, sprang Runa auf ihn los.
    Gisla schrie wieder, diesmal vor Entsetzen. Ihre Hoffnung schwand, dass Runa die Waffe nur als Drohung nutzen würde. Die Klinge durchschnitt erst die Luft, dann die Kehle des Mannes, und noch ehe der wusste, wie ihm geschah, sackte er in sich zusammen. Dunkles Blut spritzte auf, und Gisla erstarrte vor Ekel. Sie vernahm jenen gequälten letzten Atemzug, der immer gleich klang, gurgelnd, röchelnd, zerrissen.
    »Warum musstest du ihn gleich töten?«, stieß sie aus.
    Runa sagte nichts, um sich zu verteidigen - doch gerade ihr Schweigen war es, das Gisla beschwichtigte.
    Wir oder die anderen, gingen ihr Runas einstige Worte plötzlich durch den Sinn - und diesmal setzte sie ihnen kein Deus Caritas est entgegen. Es blieb entsetzlich, auf den Leichnam zu starren, aber sie wusste - dieser Mann wäre sonst jener gewesen, der erst Runa und dann sie in Haganos Auftrag getötet hätte.
    Runa stieg über ihn hinweg und zog Gisla mit sich. »Wie ... kommen ... hinaus?«, fragte sie.
    Gisla biss sich auf die Lippen. Den Weg in den Kerker gefunden zu haben war eines - zu zweit zurückzufinden etwas anderes.
    »Wie viele?«, fragte Runa.
    Kurz wusste Gisla nicht, was sie meinte - dann ging ihr auf, dass sie wohl wissen wollte, wie viele Krieger hier herumlungerten, allesamt solche, die zu arm waren, um sich die teure Ausrüstung zu leisten und den König auf seinem Feldzug nach Lothringen zu begleiten.
    »D-d-d-d-rei oder vi-vi-vi-er.«
    Nicht länger zitterten nur Gislas Hände, sondern auch ihre Stimme. Runa strich ihr das blonde Haar aus dem Gesicht und zog ihr die Kapuze über den Kopf. Dann machte sie sich am Toten zu schaffen - wohl, um dessen Kleidung und Schuhe anzuziehen. Anders als Gisla schien ihr das Blut, das daran haftete, nichts auszumachen. Die Schuhe waren viel zu groß und die Kleidung zu weit, aber zumindest die Länge passte.
    Zuletzt band sie sich den Gürtel um, um das blutbesudelte Messer darunter zu verbergen.
    Gisla graute beim Gedanken, dass Runa es noch einmal würde nutzen müssen, um zu töten. Und zugleich gab ihr gerade dieser Gedanke Kraft und Mut, den Kerker rasch zu verlassen.
    Runa musste keinen weiteren Menschen töten, weil sie auf niemanden trafen. Sie stiegen eine Treppe hoch und gelangten so in den Hof. Dort wurde auf einem Spieß ein Schwein gebraten, und jeder eilte herbei, um zu essen - blind für die beiden Gestalten, die sich an ihnen vorbeischlichen.
    Gislas Blick blieb starr auf Runas Rücken gesenkt, und diese barg ihren Kopf unter dem Mantel und ging energischen Schritts. Schon hatten sie den Hof überquert, schon hatten sie das Tor passiert.
    »Und nun?«, fragte Runa noch einmal.
    Gisla hob zaghaft den Kopf. Sie hatte Angst, auf Runas Kleidung das viele Blut sehen zu müssen, doch es war schon düster. Das bedeutete, dass es bald Nacht und das Stadttor geschlossen werden würde.
    »Wir müssen uns beeilen!«, rief sie.
    Trotz der Panik gerieten ihre Schritte zögerlich. Bis jetzt war all ihr Trachten darauf ausgerichtet gewesen, Runa zu befreien. Erst jetzt gestand sie sich ein, dass sie Laon endgültig verlassen musste. Am liebsten hätte sie sich wieder verkrochen, notfalls im schmutzigen Kerker, solange er nur in der Nähe ihres Zuhauses lag. Runa jedoch zog sie energisch mit sich, und unter ihrem Griff wich der Drang, sich zu verstecken, dem Trachten, das Stadttor gerade noch rechtzeitig zu erreichen.
    Ihre Hektik blieb nicht verborgen. Nicht nur im Hof der Pfalz waren viele Krieger, auch hier auf den Straßen sah man welche - und diese waren nicht damit beschäftigt, ein Schwein zu braten. Erst fielen nur ihre Blicke auf sie, dann deutete man auf die beiden Frauen. Zumindest Gisla war als solche zu erkennen, blähte doch der Wind ihre Kapuze und zerrte blondes Haar darunter hervor. Ehe die Männer sie eingekreist hatten und fragen konnten, wohin es sie so eilig trieb, stießen sie auf eine Gruppe Mönche, die in einer fremden Sprache miteinander redeten.
    Gisla hörte sie nicht zum ersten Mal und ahnte, dass es Irisch war und die Mönche folglich Landsleute des großen Johannes Scottus Eriugena, der - von Karl dem Kahlen, Gislas Urgroßvater, protegiert - in Laon ein Studienzentrum für Griechisch und Philosophie ins Leben gerufen hatte.
    Kurz entschlossen zog sie ihre Kapuze tiefer ins Gesicht und zerrte Runa in den Kreis der

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