Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Tochter des Nordens: Historischer Roman (German Edition)

Tochter des Nordens: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Tochter des Nordens: Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julia Kröhn
Vom Netzwerk:
schaden, nicht wahr?«
    »Aber diese Frau ...«
    »Wie du eben selbst sagtest - sie ist keine Fränkin. Wahrscheinlich ist sie eine Heidin, und eine solche zählt nicht. Und außerdem ...«, Haganos Stimme wurde noch leiser, »... und außerdem, liebe Begga - du und ich, wir wissen sie doch beide zu schätzen: all die Annehmlichkeiten, die das Leben zu bieten hat. Ich denke, ich sollte den Mansionarius bitten, dir ein neues Gelass zuzuweisen, natürlich mit einem Kamin aus Stein. Du sollst so viel Brennholz bekommen, wie du willst, damit stets ein behagliches Feuer darin brennt. Und ich denke, neue Federkissen wären dir auch lieb, nicht wahr? Du bist nicht mehr die Jüngste, manchmal schmerzen die alternden Knochen doch ein wenig von der Last der Jahre. Und wenn ich auf dein Kleid blicke, dann denke ich mir, dass ein neues nicht schaden kann.«
    Schweigen folgte, das in Gislas Ohren nicht minder schmerzte als all die lockenden Worte Haganos. Sie ahnte, dass Begga der Versuchung nicht widerstehen konnte - und bekam Recht.
    »Was ihr mit diesem anderen ... Weib tut, ist nicht meine Sache«, sagte sie hastig, um dann schnell flehentlich hinzuzufügen: »Aber ihr werdet Gisla doch nichts tun?«
    »Natürlich nicht!«, rief Hagano voller Inbrunst. »Sie muss nur ... irgendwie von hier verschwinden. Niemand darf von der Täuschung wissen, schon gar nicht ihr Vater.«
    »Du schickst sie doch nach Chelles, ins Kloster zu ihrer Mutter?«, fragte Begga hoffnungsvoll.
    Er antwortete nicht darauf. »Sei ganz beruhigt, liebe Begga. Ich werde nicht zulassen, dass ihr ein Leid widerfährt.«
    Gisla wurde plötzlich übel. Der Geschmack der Gänsekeule kam ihr hoch, doch das Fleisch erschien ihr nicht länger als das Köstlichste, was sie je gegessen hatte, sondern wie verwest. Sie unterdrückte ein Würgen, als ihr aufging, dass Hagano Begga belog. Sie war sich sicher, dass er nicht nur Runa heimlich töten lassen würde, sondern auch sie selbst.
    Das Leben bei den Franken und den Nordmännern unterschied sich in vielem. Sie trugen andere Kleider und andere Waffen, bauten andere Häuser und kochten andere Gerichte. Doch der Kerker, in den Runa geworfen worden war, schien derselbe zu sein wie der in Rouen: Ganz gleich, ob Nordmänner oder Franken Menschen einsperrten - das Loch, in das diese geworfen wurden, war immer finster, feucht und stank. Und die Heimat, nach der sie sich verzehrten, war stets fern und unerreichbar.
    Rastlos ging Runa auf und ab. Sie kämpfte gegen die Müdigkeit, die wie so oft ihr größter Feind war. Müdigkeit machte achtlos und gleichgültig und minderte den Willen, zu überleben und heimzukehren. Doch je länger sie auf und ab schritt, desto augenscheinlicher wurde, dass die Einsamkeit ein noch schlimmerer Feind war. Es war das eine, auf sich allein gestellt Wälder zu durchstreifen, aber etwas anderes, von der Welt weggesperrt zu sein, in der Menschen lachten, tanzten und sich freuten, und auf die Gnade des Wärters hoffen zu müssen, damit der einem etwas zu essen brachte. So entschlossen sie auch auf und ab ging und so grimmig sie die Hände zu Fäusten ballte - die Verzagtheit hockte schwer auf ihren Schultern, und die einzige Möglichkeit, kurz vor ihr zu fliehen, war der Schlaf.
    So hockte sie sich auf das faulige Stroh, ringelte sich wie eine Katze zusammen und schloss die Augen. Sie schlief tiefer als sonst, denn in das Gefängnis drangen kaum Laute, und als sie erwachte, hatte sie kurz vergessen, wo sie war. Wie gut es sich anfühlte, genug geschlafen und die vom langen Gehen und Jagen schmerzenden Glieder ausgeruht zu haben! Wie befreiend, jenen bleiernen Druck auf ihren Schläfen nicht mehr zu fühlen!
    Nicht lange zehrte Runa von dem Wohlgefühl - viel zu früh fiel ihr wieder ein, wie hoffnungslos ihre Lage war. Sie sprang auf, blickte sich genauer um. Am Tag zuvor hatte sie nur gesehen, dass die Wände aus Stein gehauen und feucht waren, dass der Boden voller Unrat war, nun nahm sie auch die hölzerne Decke wahr, von der Spinnweben hingen, vor allem aber den Schlitz unter der Tür. Ja, etwas mehr Licht als zuvor schien hindurchzudringen - was entweder bedeutete, dass ein neuer Tag begonnen oder dass es vielmehr Nacht war und der Wächter Fackeln entzündet hatte.
    Runa verfluchte sich dafür, geschlafen zu haben und nicht zu wissen, wie lange. Es war schlimm genug, nicht über das eigene Leben verfügen zu können - zumindest Herrin der Zeit wollte sie bleiben!
    Plötzlich wurde der

Weitere Kostenlose Bücher