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Tochter des Nordens: Historischer Roman (German Edition)

Tochter des Nordens: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Tochter des Nordens: Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julia Kröhn
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Lichtstreifen breiter, und sie hörte eine Stimme.
    Runa erstarrte, schlich lautlos zur Tür und presste ihr Ohr an das raue Holz. Es war nicht nur eine Stimme, sondern derer zwei, die eine dröhnend tief - wohl die des Wärters -, die andere leise und zart, offenbar die eines Knaben. Die meisten Worte, die sie wechselten, verstand sie kaum. Nicht nur, dass sie von der schweren Tür gedämpft wurden - obendrein reichte ihr Fränkisch nicht aus.
    Ein Wort jedoch fiel mehrmals und verhieß offenbar einen Namen.
    Hagano.
    Runa hatte den Namen noch nie gehört, glaubte aber zu verstehen, dass dieser Hagano den Knaben in den Kerker geschickt hatte. Vielleicht, überlegte sie, um sie zu befreien? Hatte Gisla alles zum Guten wenden können?
    Deren Name fiel allerdings nicht.
    Die Stimmen kamen näher, verstummten dann.
    Runa wich zurück in eine Ecke. Nicht dass nicht alles in ihr darauf drängte, den Kampf mit diesen beiden Männern aufzunehmen. Aber wenn sie auf zwei gleichzeitig losgehen musste, sollte sie sie vorher genau beobachten. Das Licht der Fackel, das plötzlich auf ihr Gesicht fiel, nachdem die Tür aufgestoßen wurde, war jedoch zu grell, als dass sie die Augen offen lassen konnte. Sie presste sie zusammen, und ehe sie mehr erkannte, war die Tür wieder zugefallen. Das Licht war nunmehr wieder diffus, und nichts war mehr zu sehen. Oder doch? Runa erkannte die Konturen eines Knaben. Er war nicht groß, nicht breit, aber er trug ein Messer und richtete es drohend auf sie.
    Unwillkürlich duckte sich Runa, um Schwäche vorzutäuschen und im rechten Augenblick loszuspringen, als der Knabe sie ansprach: »Ich habe dem Wärter gesagt, dass ich dich töten werde.«
    Runa richtete sich auf. Sie war nicht sicher, ob sie die Worte richtig verstanden hatte - aber sie war sich sicher, dass sie die Stimme kannte.
    Der Knabe hob die Hand, um die Kapuze seines Umhangs zurückzuschlagen. Blondes Haar fiel über seine Schultern, und eine Flut von Worten ergoss sich aus seinem Mund. Wieder war von diesem Hagano die Rede, ein enger Berater des Königs offenbar. Er wollte nicht nur sie, Runa, töten lassen, sondern Gisla auch. Und die hatte sich den finsteren Plan zunutze gemacht, um sich in den Kerker zu schleichen und selbst den Meuchelmörder zu spielen.
    Runa wusste nicht recht, worüber sie mehr verwundert war - dass sie so mutig war ... oder so listig. In jedem Fall war der vermeintliche Knabe, der da vor ihr stand, niemand anderes als Gisla.
    Gisla reichte Runa das Messer, ehe es ihren zitternden Händen entglitt.
    »Wie bist du hierher gelangt?«, fragte Runa aufgeregt. »Wie ist es dir gelungen, bewaffnet in den Kerker zu gelangen?«
    Gisla starrte sie nur mit großen Augen an. Jene Großtat, die Runa pries, schien nicht länger die ihre zu sein. Sie hatte gewusst, dass nur sie allein sie beide retten konnte, und die Angst vor dem Tod war für einen kurzen Moment größer gewesen als sämtliche anderen Ängste - die, sich zu verhüllen, ein Messer aus der Küche zu entwenden und zu lügen -, doch jetzt war sie wieder mit Runa vereint; jetzt musste Runa, geübter in der Kunst zu überleben, wieder entscheiden, was zu tun war.
    Die wusste es jedoch offenbar auch nicht. »Und nun?«, fragte sie.
    Gisla zuckte hilflos die Schultern. Sie hatte sich überlegt, wie sie in den Kerker zu Runa gelangen konnte - darüber, wie sie zusammen hinauskämen, hatte sie sich nicht den Kopf zerbrochen.
    Runa umklammerte entschlossen das Messer und murmelte: »Wir machen es wie beim letzten Mal.«
    Gisla hatte es gerade erst geschafft, die Erinnerungen an Rouen irgendwie zu bannen, desgleichen den Verdacht, dass ihr Leben sich im Kreis drehte und dass sie - ob nun in der Heimat oder nicht - am Ende immer wieder in die gleiche missliche Lage geriet. Nun überwältigte sie das Entsetzen, ein zweites Mal gefangen zu sein und niemanden zu haben, auf den sie zählen konnte, nicht ihre Eltern, nicht ihre einstige Amme Begga. Nur Runa hatte sie noch - und als Runa ihr aufmunternd zunickte, blieb ihr darum gar nichts anderes übrig, als zuzustimmen.
    Runa versteckte sich im Halbschatten, und Gisla legte sich auf den Boden. Sie schrie aus Leibeskräften wie in Rouen. Damals hatte sie aus Angst vor Runa geschrien, nun tat sie es aus purer Verzweiflung. Und wieder lockten ihre Schreie den Wärter an.
    Bald wurde die Tür aufgestoßen. Der Wärter sah, dass der vermeintliche Meuchelmörder angegriffen worden war und auf dem Boden lag und dass dieser

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