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Tochter des Nordens: Historischer Roman (German Edition)

Tochter des Nordens: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Tochter des Nordens: Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julia Kröhn
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Stimme an ihr Ohr, »Runa!«
    Gisla stand plötzlich neben ihr, versuchte wie sie, das Gesicht vor Gestank und Hitze zu schützen. Wie blind wankte sie zur Tür.
    »Nicht!«, schrie Runa und zerrte sie zurück.
    Für gewöhnlich fügte sich Gisla ihrem festen Griff, doch diesmal wehrte sie sich und legte ungewohnte Kräfte an den Tag. Sie versuchte, ihr den Arm zu entreißen, strampelte mit den Beinen. Runa verzog das Gesicht, als sie ihr Schienbein traf. Doch jede Regung erschlaffte, als Runa zwei Namen raunte: Thure und Taurin.
    »Was ... was ...?«
    Runa hustete. »Sie sind da draußen ...«
    Und auf einmal wich die Panik blanker Wut. Sie stürmte auf den brennenden Tisch zu, griff nach einem halb verkohlten Bein und anderen glosenden Holzstücken, merkte kaum, wie sie sich die Hände verbrannte.
    »Was tust du da?«, schrie Gisla über das Zischen der Flammen hinweg.
    Runa gab keine Antwort. Sie waren ihren Feinden ausgeliefert, und daran konnte sie nichts ändern. Aber sie konnte es ihnen schwer machen, so schwer wie möglich; sie konnte ihre Angst mit Hass vertreiben.
    Runa öffnete die Tür, warf die brennenden Scheite nach draußen. Schmerzenslaute ertönten und verrieten, dass sie jemanden getroffen hatte. Wie von Sinnen warf sie einen Scheit nach dem anderen hinaus, während die Flammen höher und höher schlugen, während die Luft immer dicker wurde und ihr die Kehle verätzte. Aber ihr Triumph währte nicht lange. Wie aus weiter Ferne vernahm sie Thures hämisches Lachen, und ihr ging auf, dass sie in dieser Nacht sterben würde.
    Bis zuletzt hatte Taurin daran gezweifelt, ob er Thures Rat folgen sollte. Dass jener nun wie von Sinnen lachte, mehrte diesen Zweifel. Und noch mehr ließ der Anblick des Feuers sein Unbehagen auflodern, gleich dem Wind die Flammen. Rauch stieg ihm in die Kehle, und er wandte sich von der brennenden Hütte ab. In den letzten Tagen hatte er sich oft abgewandt, um Thure nicht ansehen zu müssen, der immer wieder das Wort ergriff - mal plappernd wie ein Kind, mal höhnisch und spottend, mal raunend verführerisch.
    Ich kenne Runa ... ich spüre sie für dich auf ... ich weiß, wie man sie in die Enge treibt, hatte er immer und immer wieder beteuert.
    All das war nicht gelogen - er hatte die Frauen gefunden und sie in diese hoffnungslose Lage gebracht, doch es war kein ausreichender Beweis dafür, dass man dem Verrückten trauen durfte. Taurin tat es nicht - und geriet zugleich doch in einen eigentümlichen Sog, der Trägheit und Überdruss bei ihm auslöste, das Bedürfnis, den anderen nicht nur reden, sondern auch entscheiden zu lassen. Und überdies überwältigten ihn neue Erinnerungen.
    Bei Tageslicht waren es oft schöne Erinnerungen gewesen, bunter als die Welt und willkommene Fluchtpunkte. Er dachte an seine Geliebte ... beschwor ihren Anblick herauf ... weidete sich an jedem Detail ihrer Schönheit.
    Doch nun, bei Nacht und im Angesicht der Flammen, sprangen die Erinnerungen ihn an wie eine Raubkatze, bereit, ihm das Gesicht zu zerkratzen. Sie waren weder schön noch willkommen, verhießen keine Flucht von der grässlichen Welt, sondern den Blick in deren dunkelste Abgründe. Und er konnte sich nicht dagegen wehren.
    Rauch ... so viel Rauch ... nicht zum ersten Mal wurde seine Kehle verätzt ... auch damals hatte er so viel Rauch geschluckt. Siegfried opferte einige kostbare Seedrachen, trieb sie brennend auf die große Brücke zu, hoffte, sie möge in Flammen aufgehen. Doch die steinernen Wellenbrecher hielten sie auf ...
    Die Geräusche der Vergangenheit schienen die der Gegenwart zu übertönen. Das brennende Schiff war mit lautem Getöse auseinandergebrochen, das brennende Haus hingegen stand noch. Die Flammen fraßen begierig, aber leise.
    Thures Lachen drang wieder an sein Ohr und riss ihn aus den Erinnerungen, verlockte überdies seine Männer, darin einzustimmen. Taurin fuhr herum. Ja, sie lachten - lachten über die vergeblichen Versuche der Frauen, sie einzuschüchtern, lachten über deren Angst und Wut, lachten über die brennenden Scheite, die die eine der beiden, Runa, die Frau mit dem Wolfspelz, aus dem Haus warf. Thures Wahnsinn schien auf sie übergesprungen zu sein wie die Funken auf das Holz. Der Kampf ums Überleben, den die beiden Frauen ausfochten, schien für sie alle nur ein Spiel zu sein und keinen anderen Zweck zu haben, als den, sie zu unterhalten.
    Genau betrachtet fochten nicht die beiden Frauen diesen Kampf aus ... eigentlich tat es nur die

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