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Tochter des Nordens: Historischer Roman (German Edition)

Tochter des Nordens: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Tochter des Nordens: Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julia Kröhn
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eine ... Runa. Die mit den kurzen schwarzen Haaren, dem Messer und dem Amulett, dem Wolfspelz und dem zähen Leib, der sich ein paar Tage zuvor erst eng an seinen gepresst hatte. Runa, die seinetwegen gerne hätte weiterleben können, wenn sie doch nur bereit wäre, die Prinzessin nicht länger zu schützen. Runa, der er am liebsten zugerufen hätte: Gib auf, dann lass ich dich am Leben!
    Aber sie gab nicht auf, obwohl es sinnlos war, obwohl sie bald ersticken und verbrennen würde. Ihr Gebaren verhieß zwar Mut, aber nicht sonderlich viel Klugheit.
    Er selbst hatte immer der Klugheit den Vorzug gegeben, hatte - wenn es nicht anders ging - immer aufgegeben, um sein Leben zu schützen. In diesem Augenblick fühlte er sich schäbig darob - und zweifelte zugleich an dieser Klugheit, nachdem er in den letzten Tagen doch auf Thure gesetzt hatte, ihm erlaubt hatte, sich einzumischen und die Spur der Frauen aufzunehmen.
    Dass ihm das tatsächlich gelungen war, hatte in Taurin weniger Respekt gesät als den Verdacht, dass er mit dunklen Mächten im Bunde stehen müsse: Nicht nur, dass er alle Spuren des Waldes deuten und die menschlichen von denen der Tiere unterscheiden konnte, überdies schien es, als beherrsche er neben der Sprache der Menschen auch die der Vögel und des Windes. Sie hatten ihm zugetragen, wo die Frauen waren, sie hatten den Weg zu diesem einsamen Gehöft gewiesen, das jetzt als Falle diente.
    Taurin gestand sich ein, dass es beschämend war, die Frauen auf diese Weise festzusetzen, ganz so, als wäre ein Dutzend Männer nicht fähig, es auf bewährte Weise zu tun. Was zählte es, dass Runa den einen oder anderen getötet hätte? Welchen Wert hatten diese Männer schon, wenn sie doch jetzt so schäbig lachten? Immer lauter, immer abfälliger. Nicht länger nur über Runa und die fränkische Prinzessin, wie ihm schien, sondern auch über ihn selbst.
    Er schrie, dass sie aufhören sollten, aber sie gehorchten nicht. Er wiederholte den Befehl, geifernder, zorniger nun, doch nur einer hörte zu lachen auf: Thure. Sein verzerrtes Gesicht glättete sich, die funkelnden Augen, in denen sich eben noch das Feuer gespiegelt hatte, wurden kalt. Erst musterte er Taurin ausgiebig, dann schweifte sein Blick über die Männer. Und dann gab er ihnen klar und mit fester Stimme einen Befehl.
    »Broddr, Floki, Hroi, Ulfar - hört auf zu lachen!«
    Der Rauch ließ das Bild vor Taurins Augen verschwimmen. Kurz fühlte er sich wie in einem dunklen Traum gefangen: Zu verwirrend, zu empörend war, was geschah - dass Thure seinen Männern Befehle erteilte und diese tatsächlich gehorchten, und noch mehr, dass er ihre Namen kannte. Ihm selbst waren all ihre Gesichter vertraut, aber er wusste nicht, wie die Männer hießen. Er hatte diese Truppe nicht ausgewählt, sie war ihm zugeteilt worden. Und die Männer gehorchten ihm nicht, weil sie es wollten, sondern weil er in all den Jahren so gut zu kämpfen gelernt, Rollos Respekt gewonnen hatte und sie es darum mussten. Sie mochten ihn nicht. Er sie auch nicht. Und es hatte ihn nie interessiert, wer sie waren und woher sie kamen.
    Wie, zum Teufel, hatte Thure ihre Namen herausgefunden?
    In jenem kurzen Augenblick, da sich die Welt im Rauch auflöste, erschien es ihm wie Hexerei. Erst als eine Windböe den Rauch vertrieb, erkannte er, dass Thure seine Männer nicht verhext, sondern schlichtweg gefragt hatte, und dass Taurin Gleiches hätte tun können. Doch sie zu fragen hieß, mit ihnen zu reden, und er hatte keine Lust zu reden, nicht so wie Thure, der nie den Mund hielt, der sich nicht nur die Zeit genommen hatte, die Namen der Männer zu erfahren, sondern auch die Zeit, ihnen seinen eigenen Namen einzubläuen. Thure war ein Name des Nordens. Und der Name des Nordens machte aus Thure einen der Ihren.
    Ein Grinsen erschien wieder auf Thures Gesicht, und obwohl er stumm blieb, glaubte Taurin sein Hohngelächter zu hören. Thure verstand, dass er es begriffen hatte.
    »Du verfluchter ...«, stieß Taurin aus und hob die Fäuste, um auf ihn loszugehen.
    In diesem Moment wurde die Tür aufgestoßen, und die blonde Prinzessin und die Frau mit dem Wolfspelz stürzten heraus. Gaben sie auf? Waren der Drang nach frischer Luft und das Bedürfnis, der Gluthitze des Feuers zu entkommen, größer als die Angst vor ihnen - Thure und Taurin?
    Taurin starrte die beiden Frauen an, nahm kurz weder Thure wahr noch seine Männer. Gisla und Runa rangen nach Luft, husteten und keuchten, krümmten sich.

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