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Tochter des Nordens: Historischer Roman (German Edition)

Tochter des Nordens: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Tochter des Nordens: Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julia Kröhn
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Er wollte einen Schritt auf sie zu machen, da stellte Thure ihm ein Bein und stieß ihm die Faust in den Magen - ein heftiger, weil unerwarteter Schmerz. Taurin fiel, rappelte sich wieder auf, keuchte gegen den Schmerz. Es dauerte, bis der Schmerz nachließ, und noch länger, bis er den Kopf heben, seine Männer ansehen konnte. Keiner hatte Thure aufgehalten. Keiner bestrafte ihn für seinen Angriff auf ihren Anführer. Sie lachten auch nicht mehr.
    »Du Verfluchter!«, schrie Taurin.
    Er griff nach seinem Schwert, erhob es gegen Thure. Doch jener, der eben noch nahezu entschuldigend seine Hände gehoben hatte, hielt plötzlich in einer dieser Hände eine Streitaxt, und er war bereit, sie zu benutzen. Jemand musste sie ihm gereicht haben.
    Taurin ließ das Schwert sinken.
    »Du Verfluchter!«, sagte er zum nunmehr dritten Mal, hadernd, dass seine Sprache nicht aus mehr Wörtern zu bestehen schien - ganz anders als die Thures.
    Der antwortete gemächlich und mit vermeintlichem Mitleid in der Stimme: »Du hast den gleichen Fehler gemacht wie Runa: Du hast dich nur auf dich allein verlassen. Und du hast deinen Männern lediglich befohlen. Um sie geworben hast du nie ... nicht so, wie ich es tue.«
    Taurin starrte ihn an, fassungslos, dass es der teuflischen Kreatur gelungen war, Vertrauen und Macht zu gewinnen und dass er es nicht bemerkt und ihn nicht gleich hatte töten lassen. Dann war da nichts mehr in seinem Kopf, nur das Echo von Kampfgeräuschen. Die Streitaxt sauste auf ihn nieder, er hielt sie mit seinem Schwert auf - mit Mühen nur, denn Thure besaß ungeheuerliche Kraft. Erneut erhoben sie ihre Waffen, erneut schlugen diese aufeinander, und Thure grinste nicht mehr. Da war nichts Spielerisches in ihrem Kampf, nur Verbissenheit, nichts Vergnügliches, nur bitterer Ernst.
    Aus den Augenwinkeln nahm er wahr, dass Runa nach ihrem Messer griff, aber ehe diese entschieden hatte, auf wen sie das Messer schleudern sollte, wurde sie von zwei Männern ergriffen. Runa schlug wild um sich, trat dem einen ans Schienbein und biss dem anderen in die Schultern.
    Taurin wusste, was in ihrem Körper wütete: die Kräfte des Hasses, der Ohnmacht, der Enttäuschung, der Lebensgier. Doch ihre Kräfte schwanden und seine auch. Sie unterlagen beide ihren Gegnern.
    Taurin hörte Runa wütend knurren. Sie war wütend auf ihre Widersacher, er war wütend auf sich. Zum wiederholten Mal sauste die Streitaxt knapp an seinem Gesicht vorbei, er wich ihr aus, hob das Schwert, und das Schwert spiegelte das Feuer, spiegelte die kämpfende Runa, spiegelte die Männer wider, die ihn verraten hatten. Mit einem Aufschrei sprang er auf Thure zu. Ehe er seinen Kopf mit dem Schwert spalten konnte, erhielt er einen wuchtigen Schlag. Er sackte auf die Knie, fühlte, wie das Schwert aus seiner Hand glitt, fiel auf die Erde, schmeckte Schlamm und Staub. Sein Kopf schien zu zerplatzen, doch noch verschluckte keine gnädige Ohnmacht seinen Schmerz.
    Zwei Gedanken hielten dem Schmerz stand. Der Gedanke an seine Geliebte, die so schmählich im Stich gelassen worden war wie er, und der Gedanke an Runa, die - so mutig, so verbissen wie sie war - es nicht verdiente, von einem wie Thure unterworfen zu werden.
    Dann schien das Feuer plötzlich noch greller zu leuchten und schlug einem Blitz gleich in seinem Kopf ein. Ihm wurde heiß und kalt zugleich, er schmeckte nichts mehr, roch nichts mehr, sah nichts mehr, weder seine Geliebte noch Runa, nur Schwärze.
    Ja, sie würde an diesem Tag sterben - davon blieb Runa überzeugt. Auf so vieles andere hingegen war kein Verlass - auf ihren Trotz zum Beispiel, es den Feinden zu zeigen. Aber was hilft es, als Tapfere in Erinnerung zu bleiben, dachte sie, als die kalte Nachtluft sie traf, wenn es niemanden gibt, der sich an mich erinnert?
    Vielleicht würde sich Thure an sie erinnern - aber die Tatsache, dass sie elend umkam, würde er als großen Spaß betrachten, nicht als Beweis für ihren Mut. Taurin mit den leeren Augen wiederum würde sich nicht erinnern, weil er tot war. Er war reglos zu Boden gesunken, von Thure bezwungen und seinen Männern verraten, ein Anblick, der ihr zusetzte, als wäre sie selbst es, die wehrlos gefallen war. Ehe die Bestürzung zu Verzweiflung, gar Empörung wachsen konnte, hatte Runa nicht länger Augen für Taurin. Sie sah, wie Thure die Streitaxt, die er eben noch durch die Luft hatte kreisen lassen, fallen ließ, die Arme über der Brust verschränkte und beseelt auf die Flammen und auf

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