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Tochter des Nordens: Historischer Roman (German Edition)

Tochter des Nordens: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Tochter des Nordens: Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julia Kröhn
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Gisla ließ sich das nicht zweimal sagen. Sie lief zur Schlafstatt, ließ sich schwer auf einen der Strohsäcke fallen und streckte ihre Glieder aus. Ein wohliges Seufzen tönte aus ihrem Mund, und ob dieses Lautes wuchs auch in Runa die Sehnsucht, einmal wieder unter einem Dach und auf weichem Grund zu schlafen. Ihre Erschöpfung wurde so groß - und das unangenehme Kribbeln so schwach.
    Runa sank neben Gisla auf einen Strohsack. Fast augenblicklich schlief sie ein, noch bevor sie sich ausgiebig strecken und die Wohltat, nicht auf kalter Erde zu liegen, richtig genießen konnte. Der Schlaf war so tief wie eine Ohnmacht; kein Geräusch drang zu ihr, keine Sorge verfolgte sie bis in ihre Träume. Nur das Kribbeln kehrte zurück, sanft erst, dann immer lästiger. Schließlich vertrieb es die Schwärze und weckte sie auf.
    Als Runa die Augen aufschlug, war es taghell. Ihr Körper war noch schwer, ihr Geist jedoch hellwach, und er erfasste sofort, dass das Licht nicht vom Morgengrauen stammte.
    An der Decke ringelten sich dunkle Schlangen aus ätzendem Rauch. Auf den Wänden der Hütte zuckten Flammen. Das Haus, in dem sie Zuflucht gefunden hatten und satt geworden waren, brannte lichterloh.
    Runa sprang auf und schüttelte Gisla, bis sie aufwachte. Einen Augenblick sah sie sich schlaftrunken um, hustete und fuchtelte mit den Händen vor dem Gesicht, als ließe sich die Gefahr so vertreiben. Dann begann sie zu schreien.
    Das Feuer hatte nicht länger nur die Wände, sondern auch das Dach erfasst, doch das Holz war feucht vom Herbstregen, und die Flammen loderten nicht kräftig rot auf, sondern blieben kränklich blau. Der Rauch hing umso beißender im Raum, und wenn sie auch nicht zu verbrennen drohten, so würden sie ersticken, falls sie es nicht rechtzeitig ins Freie schafften.
    Runa ahnte, dass der Weg hinaus verschlossen war. Sie ahnte auch, dass das Feuer nicht aus Achtlosigkeit ausgebrochen war, dass jemand vielmehr mit Absicht das Haus angezündet hatte und die Bäuerin gewarnt gewesen war. Das war es, was sie die ganze Zeit, seit sie das Haus betreten hatten, gespürt hatte. Sie stand da, wie erstarrt, unfähig, sich zu bewegen, und rang nach Luft. Gislas Schreie verstummten unvermittelt, als ein brennendes Torfstück vom Dach fiel.
    Und dann plötzlich nahm Runa einen Schatten wahr. Die Bäuerin stand reglos dort mitten im Raum im beißenden Rauch mit wirrem Haar und bleichem Gesicht - einem Gespenst gleich.
    »Es tut mir leid«, murmelte sie, dann wandte sie sich jäh ab und hetzte zur Tür.
    Als sie sie öffnete, ließ die kalte Nachtluft die Flammen erstmals zornig aufflackern: Sie ergriffen vom Tisch Besitz, und anders als die Wände war der aus trockenem Holz und fachte den Appetit des Feuers an.
    Runa starrte darauf. Sie wusste, dass sie etwas tun musste, die Flammen austreten, Gisla helfen. Sie konnte es nicht. Sie konnte nur an die Bäuerin denken, die Bäuerin, deren Namen sie nicht einmal kannte, die Bäuerin, die sie verraten hatte - und dieser Verrat war schon geplant gewesen, ehe sie vor der Hütte aufgetaucht waren. Jemand hatte ihr heimtückisch befohlen, den beiden Frauen Unterschlupf zu gewähren und sie in Sicherheit zu wiegen - und sie hatte dem Befehl Folge geleistet, weil sie schreckliche Angst hatte.
    Wie vom Blitz getroffen wurde Runa nun selbst von Angst gepackt, Angst vor den Flammen und vor dem Tod, Angst, die so groß war, dass sie nicht an Gisla dachte, allein zur Tür stürzte, sie aufriss wie eben noch die Bäuerin. Obwohl sie sich gegen alles wappnete - auf das, was sie draußen sah, war sie nicht vorbereitet: Unzählige Männer hatten das Haus umstellt und verhinderten so jede Fluchtmöglichkeit. Und als ob das noch nicht schlimm genug gewesen wäre, sah sie inmitten der Männer ihre schlimmsten Feinde vereint - Taurin und Thure.
    Runa wich zurück und schlug die Tür wieder zu. In diesem Augenblick barst das Holz des Tisches mit einem ohrenbetäubenden Knall, und er brach in sich zusammen. Die Flammen loderten immer höher, brennender Torf rieselte vom Dach, der ätzende Gestank wurde unerträglich: Jede Furche, jeder Winkel war davon erfüllt. Der wabernde graue Qualm drang durch Runas Nase und Mund. Vergeblich drückte sie ihren Wolfspelz vors Gesicht.
    Ihre Gedanken überschlugen sich. Wir werden ersticken, dachte sie, oder bei lebendigem Leib verbrennen. Aber nichts konnte schlimmer sein, als noch einmal in die Fänge Thures oder Taurins zu geraten.
    »Runa!«, drang eine

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