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Tochter des Ratsherrn

Tochter des Ratsherrn

Titel: Tochter des Ratsherrn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: J Tan
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ihm beugen. Doch seid wenigstens so freundlich und nennt mir Euren Namen.«
    Der Ritter richtete sich auf, so gut es ihm nach dem beschwerlichen Ritt noch möglich war, und fasste sich an die Brust. Mit einer kurzen Verbeugung sagte er: »Mein Name ist Eccard Ribe.«
    Albert durchfuhr ein unerwarteter Schrecken, doch er durfte sich seine Gefühle nicht anmerken lassen. Darum nickte er bloß und sagte: »Meinen Namen kennt Ihr ja bereits, ich bin Albert von Holdenstede. Gehe ich recht in der Annahme, dass Ihr mit Hermann Ribe verwandt seid?«
    »Mein Vater«, bejahte der Ritter knapp.
    Nach diesen Worten war sich Albert sicher, dass sein Schicksal besiegelt war. Hermann Ribe zählte zu den gefährlichsten und unbarmherzigsten Plackern des Landes. Alberts Hoffnung, das Einlager jemals lebend zu verlassen, sank.
    Der Ritter wandte sich schon zum Gehen, als er gewahr wurde, dass dem Mann womöglich eine längere Zeit im Verlies bevorstand – wenigstens so lange, bis seine Wunde verheilt war und er sich des reichen Pfeffersacks annehmen konnte. Sicher, der Kaufmann war ein Betrüger und hatte es wahrhaftig verdient, ins Einlager geschickt zu werden, doch er sollte nicht noch zusätzlich für die Kränkung büßen müssen, die der Graf seinem Ritter zugefügt hatte. Mit mühsam beherrschter Stimme befahl er daher: »Nehmt ihm die Fesseln ab, und bringt ihm frisches Stroh, Wasser und etwas zu essen ins Verlies.« Dann humpelte er mit seiner Dienerschaft davon.
    Albert hatte bislang gar nicht gewusst, dass der Ritter an einer Verletzung litt. Auch wenn er kein Mitleid für ihn empfand, konnte er dennoch nicht umhin, ihn für seine Stärke zu achten. Er musste während des Rittes starke Schmerzen gelitten haben, und dennoch hatte er sich nicht beklagt. Trotz der misslichen Lage, in der sich Albert befand, versuchte er das als gutes Zeichen zu werten. Eccard Ribe schien über ritterliche Tugenden zu verfügen. Vielleicht holte man ihn eines Tages doch aus dem Verlies heraus. Diese Hoffnung wollte er sich bewahren, auch wenn Eccard Ribe der Sohn eines Mörders und Diebes war.
    Wie er vermutet hatte, befand sich das Verlies im Sockel der Burg. Zusammen mit drei Männern der ritterlichen Gefolgschaft überquerte er den Steg, der über den Graben der Wasserburg führte. Man geleitete ihn eine schmale steinerne Treppe hinab. Sofort schlug Albert ein modriger Geruch entgegen. Unten angekommen öffneten die Männer unter lautem Quietschen eine schwere Tür. Das beklemmende Gefühl in seiner Brust wurde stärker und schnürte ihm nun fast die Luft ab. In der Dunkelheit konnte er kaum etwas sehen, doch er spürte, wie die feuchte Kälte augenblicklich in seine Glieder kroch. Noch bevor er sich dazu durchringen konnte, den Kerker zu betreten, stieß ihn eine Hand so grob hinein, dass er ins Stolpern geriet. Gerade noch konnte er sich an den glitschigen Steinwänden festhalten. Dann wurde hinter ihm die Tür verriegelt. Kein Wasser, kein Stroh – nichts. Albert war allein.
    Er wollte sich zur Ruhe zwingen, doch schon bald fühlte er Panik in sich aufsteigen. Schwer atmend drehte er sich um sich selbst und wandte dabei immer wieder den Kopf nach rechts und links in der Hoffnung, etwas erkennen zu können, doch seine Augen hatten sich noch nicht an die Dunkelheit des Verlieses gewöhnt.
    Was, wenn es dem Ritter gefiel, ihn doch nicht mehr herauszulassen? Was, wenn dieser hörte, dass Thiderich als verschollen galt und sicher nicht auftauchen würde, um Alberts Schulden zu begleichen? Das Einlager würde für Eccard Ribe zu einer sehr kostspieligen und langwierigen Angelegenheit werden, die er nur dann verkürzen konnte, wenn er Albert verhungern ließ. Heilige Mutter Gottes, das durfte nicht geschehen! Auf Alberts Stirn bildeten sich trotz der Kälte kleine Schweißperlen. Was würde aus seiner Frau und seinen Kindern werden? Schon jetzt war ihr Schicksal ungewiss – wer scherte sich schon um die Angehörigen eines verarmten und geächteten Ratsherrn? Und wer um den verarmten und geächteten Ratsherrn selbst? Wer sollte kommen, um ihn zu retten? Graf Gerhard II. sicher nicht und die Mitglieder des Hamburger Rates auch nicht!
    Langsam nahm er Umrisse wahr. Durch eine kleine Luke im oberen Bereich der Kammer fiel ein wenig Tageslicht. Sie war zu hoch, als dass er hätte hinausspähen können, und doch beruhigte sie ihn ein wenig – zumindest würde er nicht ersticken. Als für kurze Zeit die Abendsonne durch die Wolken brach, konnte er

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