Tochter des Ratsherrn
geben, wenn unsereins bereits zu Staub zerfallen ist.«
Der Müller nickte und erwiderte lächelnd: »Ich kann doch nicht einfach sterben. Hier gibt es viel zu viel zu tun.«
»Das ist richtig«, bestätigte der Ritter. »Es ist schön, dich wohlauf zu sehen. Als ich fortgeritten bin, lagst du in Krankheit darnieder. Ich habe wahrlich geglaubt, der Wind hätte dich bereits fortgetragen.«
Der Alte griente. »Ja, Ihr wart lange fort, doch nicht lang genug, um mich tot zu sehen. Solange meine Hände den Mühlstein noch vom Mehl befreien können, werde ich Euer Müller sein, junger Herr.« Er holte eine Handvoll Hafer aus seiner staubigen Tasche und hielt sie dem Hengst des Ritters vors Maul. »Er ist dünn geworden. Wollte er nicht fressen? Wahrscheinlich hat er meinen Hafer vermisst.«
Der Ritter zuckte kurz mit den Schultern und erwiderte belustigt: »Wie immer sorgst du dich mehr um Kylion denn um mich, Müller.«
»Aber nur, weil ich um Euren starken Schwertarm weiß, Herr«, sagte der Alte schelmisch.
»Du bist wohl niemals um eine Ausrede verlegen, Erich.« Dann trieb er seinen Hengst wieder an und hob grüßend den Arm.
Der gebeugte Müller winkte zurück und rief ihm hinterher: »Kommt mich bald wieder besuchen!«
Sie folgten weiter dem ausgetretenen Pfad, der sie zur Mühle geleitet hatte. Er führte sie durch dichte Bäume und über eine kleine Brücke, dann öffnete sich vor ihnen eine Lichtung mit einer trutzigen Burganlage.
Albert sah sich genau um. Dieser Ort würde für unbestimmte Zeit sein Zuhause werden. Zuerst fiel ihm der kreisrunde Burgturm mit seinen wenigen schmalen Luken ins Auge. Er stand auf einer aufgeschütteten Erdwallanlage, die offenbar eigens für die Burg gebaut worden war. Was für ein unwirtlicher Ort im Vergleich zu seinem behaglichen Kaufmannshaus! Um den erhöhten Burgturm war ein breiter Wassergraben gezogen, der nur auf einem einzigen Wege zu überqueren war. Hinter dem Wassergraben befanden sich weitere Gebäude. Albert vermutete, dass es sich um Ställe und Wohnhäuser handelte, vielleicht war auch eine wegen Brandgefahr ausgelagerte Küche darunter. Schlussendlich wurde all das von einem weiteren Ringwall umgeben.
Als sie den ersten Wall passierten, befiel Albert ein beklemmendes Gefühl. Im Gegensatz zu vielen anderen Jungen hatte er sich niemals gewünscht, ein Ritter zu sein. Zwar waren Ruhm und Ehre auch für ihn verlockend, doch auf einer Burg zu leben hätte er sich nicht vorstellen können. Es konnte doch niemandem wirklich gefallen, in kalten, dunklen Gemäuern zu hausen – auch nicht den Rittern selbst. Bis zum heutigen Tage war es ihm gelungen, nicht mal einen Fuß in eine Burg zu setzen, und nun würde er doch in einer leben müssen. Gottes Wege waren unergründlich!
Die Männer hielten an und stiegen von ihren Pferden ab. Es war ihnen anzusehen, wie froh sie darüber waren, endlich angekommen zu sein. Allen voran der Ritter, der es am eiligsten hatte, vom Rücken seines unbequemen Hengstes zu gleiten. Doch als er sein Bein über die Kuppe des Apfelschimmels schwang, entfuhr ihm ein gellender Schmerzensschrei.
Sofort eilten zwei seiner Gefolgsmänner auf ihn zu, die er jedoch mit einer herrischen Bewegung zurückwies. Hinkend und mit schmerzverzerrtem Gesicht wandte er sich Richtung Burg, als sich der junge Page zaghaft zu Wort meldete: »Mein Herr, was soll mit dem hier geschehen?« Er zeigte auf Albert.
Der Ritter drehte sich um und sah seinem Gefangenen ins Gesicht. Zum ersten Mal seit ihrer Abreise richtete er das Wort an Albert.
»Es tut mir leid, Kaufmann, aber da ich mich von Euren lauteren Absichten noch nicht überzeugen konnte, wird mir nichts anderes übrig bleiben, als Euch vorerst in mein Verlies zu sperren, bis alle nötigen Vorkehrungen für Euer Einlager getroffen sind und meine Verletzungen es zulassen, mich Euch zu widmen.«
Albert hätte aufbegehren können, schließlich war ein Einlager kein Gefängnis. Doch was hätte ihm das genützt? Hier, in dieser verlassenen Gegend, würde niemand kommen, um mit ihm um sein Recht zu streiten. Hier gab es nur einen Herrn, und dessen Wünschen würde er sich fügen müssen. Albert blieb nur zu akzeptieren, was der Ritter sagte, um ihn vielleicht bald schon davon zu überzeugen, dass er nicht vorhatte zu fliehen. Seine Würde war das Einzige, was ihm noch geblieben war, und darum stellte sie auch seine einzige Waffe dar. Ruhig entgegnete er: »Nun denn, wenn es Euer Wunsch ist, muss ich mich
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