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Tochter des Ratsherrn

Tochter des Ratsherrn

Titel: Tochter des Ratsherrn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: J Tan
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Plötzlich hielt ihn nichts mehr auf seinem Sessel. Er wollte raus aus dem stickigen Saal mit den Männern, die sichtlich unter der üblen Laune ihres Herrn litten. Johann II. wandte sich seiner Frau zu und fragte: »Meine Gemahlin, würdet Ihr mir die Freude erweisen, draußen auf dem Burghof ein wenig umherzugehen?«
    Margarete schaute ihren Mann verwundert an. Sie konnte sich schon fast nicht mehr daran erinnern, wann er diese Worte das letzte Mal zu ihr gesagt hatte. Ein strahlendes Lächeln breitete sich auf ihrem Gesicht aus. »Was für eine wunderbare Idee. Lasst uns hinausgehen aus diesen grauen Gemäuern.«
    Johann II. reichte seiner Frau den Arm.
    Beschwingt erhob sich Margarete und hakte sich bei ihrem Gemahl unter. Endlich verließen sie diesen furchtbaren Saal, der stets nach Hundepisse, Schweiß und anderen Ausdünstungen roch. Fast schon hatte sie befürchtet, eins mit ihrem Sessel zu werden. Auch ihrem Gemahl würde ein wenig Abwechslung gut tun. Niemals hätte sie diesen Gedanken laut ausgesprochen, aber sie war sich sicher, dass seine Trübsal auch daher rührte, dass er die Burg seit Wochen nicht mehr verlassen hatte.
    Nachdem das gräfliche Paar sich so plötzlich erhoben hatte, geriet die Dienerschaft in helle Aufregung. Es war zu früh, die Schlafkammer aufzusuchen. Die unberechenbaren Launen des Grafen hatten zur Folge, dass niemand im Saal mehr so recht wusste, wie er sich verhalten sollte.
    Als die ersten seiner Gefolgsleute aufsprangen, um ihrem Herrn wie immer auf dem Fuße zu folgen, gebot die Gräfin ihnen Einhalt. »Ihr könnt gehen, alle. Der Graf und ich wünschen alleine zu sein.«
    Johann II. blickte seine Frau mit seinem verbliebenen Auge verblüfft an. »Was habt Ihr mit mir vor, Gemahlin?«
    Margarete presste sich an ihren Mann und schaute lächelnd zu ihm auf. Es war durchaus nicht verwunderlich, dass er sich über ihr Verhalten erstaunte. Niemals ergriff sie das Wort vor ihm oder erteilte Weisungen, ohne sich vergewissert zu haben, dass sie auch in seinem Sinne waren. »Ich werde Euch Euren Männern für einen Moment stehlen. Wenn Ihr nichts dagegen habt, wäre ich gern einen Augenblick mit Euch allein.«
    Nun musste auch der Graf lächeln, das erste Mal seit vielen Wochen. »Nun gut, dann muss ich mich wohl den Wünschen meiner edlen Dame ergeben.«
    Seite an Seite gingen sie hinaus vor die Burg. Seit dem Verlust seines Auges hatte Johann II. die Sonne nur selten gesehen. Umso kräftiger schien sie jetzt für das Paar zu leuchten.
    Mit halb geschlossenen Augen wandte sich die Gräfin dem orangefarbenen Abendlicht zu, das die Dächer Kiels erhellte. Zu ihren Füßen lag die Halbinsel der Stadt. Die hohen Gemäuer des Franziskanerklosters im Norden und die Nikolai-Kirche in ihrer Mitte warfen bereits lange Schatten. Das Wasser, welches die Stadt nahezu vollständig umgab, glitzerte silbrig. Margarete, die sich in den letzten Wochen wie eingesperrt gefühlt hatte, hoffte inständig, dass diese Zeit nun ein Ende fand. »Ich weiß, es steht mir nicht zu, Euch Ratschläge zu erteilen, doch Ihr solltet Euch den Kielern nicht mehr versagen«, begann sie vorsichtig und wartete gespannt ab, wie ihr seit seiner Verwundung stets mürrischer Gemahl auf ihre Worte reagieren würde.
    »So, meint Ihr das, Werteste?«
    »Die Kieler waren Euch schon immer zugetan. Sie werden es auch weiterhin sein, wenn Ihr Euch ihnen nur wieder zuwendet.«
    »Ihr wagt viel, Frau. Seit wann beschäftigen Euch meine Belange?« Johann II. war nicht wirklich erbost, vielmehr war er erstaunt darüber, wie kühn seine sonst so stille Gemahlin sich gebärdete.
    »Sie interessieren mich, weil … nun … weil ich ein Kind erwarte und Ihr Eurem Nachfolger doch sicher ein gutes Vorbild sein wollt.«
    Der Graf schaute zu ihr herunter. Dann nahm er ihre Hand und küsste sie sichtlich erfreut. »Margarete von Dänemark, Ihr wisst Eure Schachfiguren wie immer gut zu platzieren. Ich bin hocherfreut.«
    »So wie ich, Liebster.« Es war ihr tatsächlich gelungen, ihn zu überraschen. Sie war zufrieden mit sich. Genau wie sie es geplant hatte, konnte sie die freudige Kunde im rechten Moment für sich nutzen. Doch sie hatte noch eine weitere Überraschung für den Grafen, und diese kam von Herzen. »Mein Gemahl«, sagte sie vorsichtig. »Um Euer Gemüt in nächster Zeit zu erhellen, habe ich mir erlaubt, eigenmächtig einen Boten nach Hamburg zu schicken.«
    Wie erwartet blickte der Graf sie fragend an. »Was für einen Zweck

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