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Tochter des Ratsherrn

Tochter des Ratsherrn

Titel: Tochter des Ratsherrn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: J Tan
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sein karges Heim genauer betrachten.
    Das Verlies war halbrund und entgegen seiner ersten Vermutung recht groß. Dort, wo die unbehauenen Felsbrocken die einzige gerade Mauer bildeten, befanden sich eiserne Schellen. Albert war überaus dankbar, dort nicht eingeschlagen worden zu sein.
    Genau wie in seinem Kontor ging er zwischen den Mauern auf und ab, um besser nachdenken zu können, dann hielt er plötzlich inne. Er kam sich unwahrscheinlich lächerlich vor. Was hatte es für einen Sinn, sich so zu verausgaben? Nichts würde sich dadurch ändern. Er sollte besser seine Kräfte sparen. Müde lehnte er sich mit dem Rücken gegen die Steine und rutschte schließlich daran herunter, bis er auf dem nackten Boden saß. Bald schon fror er bitterlich und hatte schrecklichen Durst, doch es war niemand mehr an seine Tür gekommen, den er um Wasser hätte bitten können. Der Befehl des Ritters wurde entweder missachtet, oder er hatte ihn zurückgenommen. Doch Albert wollte die Hoffnung nicht aufgeben. Er durfte es nicht, sonst würde er vor Angst verrückt werden. Wenn er sich in dem Ritter nicht getäuscht hatte, würde dieser ihn nicht hier verrotten lassen. Morgen, redete er sich hoffnungsvoll ein, morgen wird jemand kommen!

18
    »Ist das wirklich unsere letzte Möglichkeit, Walther?«
    »So wie es aussieht, schon. Sollte dir noch etwas anderes einfallen, wäre ich dir überaus dankbar, wenn du deine Gedanken jetzt offenbaren würdest.«
    Godeke schwieg. Natürlich schwieg er, denn es gab keine andere Möglichkeit als die von Walther vorgeschlagene.
    Wieder und wieder waren sie die sorgsam geführten Kaufmannsbücher durchgegangen. Sie hatten gehofft, den für Alberts Freilassung geforderten Betrag doch noch zusammenzubringen, wenn sie bei ihren Schuldnern noch offenstehende Summen eintreiben würden. Schlussendlich klappten sie entmutigt die schweren Ledereinbände zu.
    »Es ist sinnlos, Godeke. Die Summe ist zu hoch. Es bleibt nur noch dieser eine Weg. Wir müssen es tun – Albert würde es so wollen.«
    Godeke zögerte. Auch wenn er tief im Innern bereits wusste, dass Walther recht hatte, wollte er noch immer nicht wahrhaben, dass ihnen wirklich keine andere Wahl blieb. »Sollten wir nicht wenigstens versuchen, sein Haus zum Pfand zu setzen und Albert damit auszulösen, anstatt gleich sein ganzes Erbe an den Grafen abzugeben?«
    »Nein, das wird nicht gelingen, Godeke«, widersprach Walther mit fester Stimme. »Um die Schuldsumme zusammenzubekommen, müssten wir beide Häuser verpfänden. Wenn wir dem Grafen dagegen Alberts Haus gleich überschreiben, dann bleibt uns wenigstens noch meins. Der Rat wird uns mit Sicherheit keinen einzigen Pfennig für die Verpfändung unserer Häuser zahlen, da er davon ausgeht, dass wir die Münzen nutzen, um den Grafen auszuzahlen. Wir werden es so machen, wie ich es gesagt habe. Es ist unsere letzte Möglichkeit. Gerhard II. wird gewiss darauf eingehen, und wenn nicht, weiß ich auch nicht weiter.«
    Godeke nickte. »Ja, ich gebe es ungern zu, aber es scheint tatsächlich der einzige Weg zu sein, Vater zu befreien.«
    Die Männer waren gezeichnet von den Anstrengungen der letzten Tage. Stundenlang saßen sie schon im Kontor zusammen und versuchten, eine Lösung herbeizuführen. Doch egal, wie sie ihre Lage drehten und wendeten, es stand bitter um sie alle.
    Walther schwitzte, und seine Augen brannten vom vielen Lesen. Vergangene Nacht war ihm die Idee gekommen, dem Grafen Alberts Haus zum Tausch anzubieten. Zwar wusste er nicht, wie es weitergehen sollte, wenn dieser einwilligte, doch dafür wusste er sehr genau, was geschehen würde, wenn sie die Schuldsumme nicht bezahlten. Albert würde auf der Riepenburg bleiben, bis er starb – und das womöglich nicht an Alter und Schwäche, sondern vielmehr an Hunger oder Durst. »Selbst wenn der Schauenburger in die Überlassungserklärung einwilligt, obliegt es ihm immer noch, deinen Vater aus dem Einlager zu entlassen. Er ist launisch. Wir müssen sogar damit rechnen, alles zu verlieren und Albert dennoch nicht wiederzusehen.«
    Walther sprach bloß aus, was Godeke selbst längst wusste. Dennoch konnte und wollte er diese Ungerechtigkeit einfach nicht hinnehmen. »Und wenn wir nach Plön reiten und ihn persönlich um Gnade bitten?« Noch während er sprach, wurde Godeke bewusst, wie lächerlich sein Vorschlag klang. Der kriegerische Gerhard II. würde sie sicher nicht einmal vorlassen, wenn er hörte, dass der Sohn und der Nuncius eines

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