Tochter des Ratsherrn
doch klangen diese Dinge stets so schauderlich, dass Margareta bloß mit hochrotem Kopf dasitzen konnte, ohne ein Wort zu verstehen. Runa hatte ihr eingeschärft, nicht zu weinen oder zu klagen, wenn Hereward sie zur Frau machte, da Männer dies nicht schätzten. Sie solle sich ihm fügen, egal, was er von ihr verlangte, selbst dann, wenn er ihr Schmerzen zufügte! Sollte sie jedoch Gefallen an dem finden, was im Ehebett geschah, durfte sie dies ihren Gemahl niemals wissen lassen, denn das war eine Sünde!
Nach diesen Unterredungen war Margareta immer vollends verwirrt. Was konnte Hereward denn bloß von ihr wollen, das ihr Schmerz und Gefallen gleichzeitig bereitete und zudem noch eine Sünde war?
Margareta schaute auf das Bett in der Kammer. Noch konnte sie sich nicht vorstellen, mit einem Mann in einem solchen zu liegen. Der bloße Gedanke daran ließ sie verschämt die Augen niederschlagen. Doch wenn sie den Worten ihrer Schwester und ihrer Mutter Glauben schenkte, würde wenigstens Hereward wissen, was zu tun war.
Plötzlich schreckte Margareta auf. Vor der Kammer waren Schritte zu vernehmen. Großer Gott, dachte sie bei sich, wie lange habe ich hier gestanden? Es wird höchste Zeit, dass ich mich wieder nützlich mache! Doch gerade als sie zur Türe gehen wollte, wurde diese von Ragnhild geöffnet.
»Mutter, ich … ich habe nur …«, suchte Margareta nach einer Ausrede, die erklärte, warum sie sich seit einer kleinen Ewigkeit in deren Schlafkammer aufhielt. Dann bemerkte sie Ragnhilds kummervollen Blick. Margaretas Tun war offensichtlich nicht von Belang für sie.
Ragnhild hatte die Hände vor der Brust gefaltet und rang um die richtigen Worte. Noch hatte sie selbst nicht richtig begriffen, was Walther ihr soeben erzählt hatte, wie sollte Margareta es dann verstehen? »Mein Kind«, begann sie vorsichtig. »Setz dich mit mir auf das Bett.«
»Was ist mit dir, Mutter? Du bist ja ganz blass. Gibt es Neuigkeiten von Vater?«
»Nein, mein Kind.«
»Was ist es dann, das dich so erschreckt?«
Ragnhild legte ihre Hände in den Schoß und verschränkte die Finger, dann schlug sie die Augen nieder. Sie wollte Margareta die entsetzliche Nachricht so sanft wie möglich beibringen, doch ihr fehlten einfach die rechten Worte. »Habe ich dir schon einmal davon erzählt, dass ich für einige Zeit im Kloster der Blauen Schwestern gelebt habe?«
»Aber natürlich hast du mir davon erzählt.«
»Auch deine Schwester hat dort gelebt. Sogar für viele Jahre. Und es sind gute Jahre gewesen.«
»Mutter, das weiß ich doch längst. Du verwirrst mich.«
Ragnhild lachte gespielt auf, ohne den Blick zu heben. »Ist es nicht schon fast eine Sitte in unserer Familie, dass wir Frauen für eine Zeit dort wohnen? Vielleicht wird auch Freyja eines Tages …«
»Was hat das alles zu bedeuten, Mutter?«, unterbrach Margareta ihre Stiefmutter unwirsch. »Bitte verzeih meine Ungehaltenheit, aber ich weiß nicht, was du mir sagen möchtest.«
Ragnhild kämpfte mit den Tränen und verlor. Sie konnte nicht verhindern, dass ihr eine über die Wange rollte, der rasch weitere folgten. Sie ließ sie laufen. »Mein Kind, mein liebes Kind«, schluchzte sie. Dann hob sie den Blick, sah Margareta in die Augen und nahm deren Hände in ihre. »Die Zeiten sind schwierig für uns. Möglicherweise gefällt es Gott, uns zu prüfen.« Ragnhild atmete tief ein, um die nächsten Worte in einem Rutsch hervorzustoßen: »Hereward hat eure Verlobung heute aufgelöst.«
Margareta blieb regungslos, nur ihre Augen hatten sich schlagartig geweitet. Die Worte ihrer Stiefmutter ließen ihr sämtliche Luft aus den Lungen weichen. Dann stand sie auf und schlug die Hände vor ihren Mund. Die Augen noch immer weit aufgerissen vor Schreck starrte sie Ragnhild einfach nur an. Nein, nein, nein, schoss es ihr immer wieder durch den Kopf. Das konnte einfach nicht sein. Es durfte nicht sein. Nur langsam begriff sie, was diese Worte tatsächlich bedeuteten.
Es würde keine Hochzeit geben, kein Kleid, keine Bewunderung und keine Reisen. Vor allem aber würde es keine Gnade für ihren Vater geben! Da erst schossen ihr die Tränen in die Augen. Margareta sackte auf dem Boden zusammen und ließ sie einfach fließen. Sie spürte die tröstenden Hände ihrer Mutter auf dem Rücken, die mit ihr weinte. Wenig später kam auch Runa hinzu und brach ebenfalls in Tränen aus.
Margareta verstand nun, was Ragnhild ihr vorhin zu sagen versucht hatte. Da ihr Verlobter sie
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