Tochter des Ratsherrn
seiner Stimme sprach der ungeschönte Argwohn. »Angesichts der kürzlich geschehenen, äußerst unerfreulichen Ereignisse, die mit der Familie von Holdenstede verbunden sind, habe ich beschlossen, die Verlobung mit der Jungfrau Margareta von Holdenstede aufzulösen.«
»Was? Auflösen? Wie soll ich das verstehen?« Walther bemühte sich um Fassung. Diese Nachricht traf ihn vollkommen unerwartet, und dennoch hätte er es eigentlich ahnen können – natürlich wollte sich ein von Rokesberghe nicht mit dem Weib einer geächteten Familie verbinden.
Schon jetzt graute ihm davor, der Familie Herewards Beschluss mitzuteilen. Sämtliche Vorbereitungen waren bereits abgeschlossen; die Hochzeit sollte ja schon im August stattfinden. Margareta würde mit Sicherheit das Herz brechen und nicht nur ihr: Diese Hochzeit war für alle aus der Familie ein letzter Trost gewesen; ein Schimmer der Hoffnung, durch die Verbindung mit einer so angesehenen Ratsfamilie wie der von Rokesberghe ihrem schwindenden Ansehen entgegenzuwirken.
»Habt Ihr die Sprache verloren, Nuncius?«, fuhr ihn der Kaufmann mit einem Mal an. Scheinbar freute er sich auf ein Wortgefecht.
Walther blieb der verächtliche Ton nicht verborgen, mit dem Hereward von Rokesberghe ihn anzusprechen beliebte. Es zeigte nur allzu deutlich, wie tief seine Familie gesunken war. Doch Walther hatte nichts mehr zu verlieren, und dieses Wissen verlieh ihm Kraft. Albert hatte ihm seine Töchter anvertraut, er durfte seinen Freund jetzt nicht enttäuschen. Mit kämpferischer Stimme entgegnete er: »Ich denke, Euch ist ebenso gut bekannt wie mir, dass eine Verlobung nach dem Verlobungskuss nicht einfach aufzulösen ist.«
Hereward lachte laut auf. »Wollt Ihr mir etwa drohen, Nuncius? Dass ich nicht lache!«
»Ich drohe Euch nicht. Ich erinnere Euch lediglich an die geltenden Regeln der heiligen Kirche. Wie mir scheint, sind sie Euch wohl entfallen.«
Hereward ließ sich nicht von Walther beirren. »Pah, ich weiß doch genau, worauf Ihr hinauswollt, also haltet mich nicht zum Narren. Ihr gedenkt, ein Bußgeld herauszuschlagen, doch das könnt Ihr vergessen. Ganz im Gegenteil. Ich verlange sogar meine Brautgabe zurück.«
»Das ist ja unerhört«, stieß Walther ungläubig aus. Diese Forderung war einfach zu dreist. Erbost über Herewards selbstsicheren Ton setzte er nach: »Das könnt Ihr nicht. Mit welchem Recht fordert Ihr etwas von mir , obwohl Ihr es seid, der den Vertrag der Verlobung nicht einhält?«
Schlagartig verengten sich die Augen des Kaufmanns zu kleinen Schlitzen. Sein Blick schien Walther zu durchbohren. »Es ist ganz einfach, Nuncius. Nicht ich habe den Vertrag gebrochen. Ihr seid es, der nicht in der Lage ist, ihn einzuhalten. Mir wurde eine Braut aus edlem Hause versprochen, die meines werten Namens würdig ist. Doch Euer Haus ist das eines Verräters. Eine solche Tochter kann nicht von reinem Wesen sein und ist meiner somit nicht mehr würdig.«
Walther wusste nicht, wie ihm geschah. Er hatte keine Gelegenheit gehabt, sich auf dieses Gespräch vorzubereiten, und wandte sich hilfesuchend an den Bürgermeister, der ihn aber schon unterbrach, noch bevor er das Wort an ihn richten konnte.
»Es tut mir leid, Walther von Sandstedt. Herewards Forderung ist rechtens. Albert von Holdenstede ist beim Rat in Ungnade gefallen, und seine Tochter, die Jungfrau Margareta von Holdenstede, bringt nun nicht mehr das mit in die Ehe, was ihrem Verlobten versprochen wurde. Es ist daher vonnöten, dass die bereits überreichte Brautgabe alsbald an ihn zurückgegeben wird. Danach wird die Verlobung für ungültig erklärt. Reyner von Wunsdorp und Conrad Salsnak sind heute hier, um die Auflösung der Verlobung zu bezeugen.« Während der Bürgermeister Walther aufklärte, schob er ein beschriebenes Pergament über den Tisch. »Ihr müsst das unterzeichen. Dann könnt Ihr wieder gehen.«
Walther schaute ungläubig auf das Schreiben. Ihm blieb nichts anderes übrig, als zu tun, was von ihm verlangt wurde. Mit schnellem Blick überflog er die Zeilen und griff dann zum Gänsekiel. Seine Hand zitterte vor Wut und Verbitterung, als er seine Unterschrift aufs Pergament setzte. Dann stellte er noch eine letzte Frage. »Wie viel Zeit bleibt mir, um die Brautgabe zurückzugeben?«
»Es bleibt Euch Zeit bis Michaelis«, antwortete Willekin Aios. »Könnt Ihr die Brautgabe bis dahin nicht aufbringen, fällt Euer Haus an Hereward von Rokesberghe. Da es wohl das Einzige ist, das den Wert
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