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Tochter des Ratsherrn

Tochter des Ratsherrn

Titel: Tochter des Ratsherrn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: J Tan
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ist hinüber.«
    »So ein Mist. Ritter Eccard wird nicht erfreut darüber sein, dass uns der Kaufmann verreckt ist.«
    »Nein, aber eines ist klar: Ich sage ihm das nicht«, versicherte der eine mit einem Fingerzeig auf Albert.
    »Ach ja? Und wer soll es deiner Meinung nach dann tun?«
    »Wer wohl? Du hast ihn schließlich auch vergessen. Kein Wunder – wenn du dir nicht ständig den Kopf von den Mägden verdrehen lassen würdest, wäre das sicher nicht passiert.«
    »Fang nicht schon wieder damit an«, ereiferte sich der andere erbost. »Du bist doch nur sauer, weil Maria mich mag und nicht dich.«
    »Damit hat das nichts zu tun. Du solltest den Kaufmann doch hier einsperren, also hättest du auch dafür sorgen müssen, dass er am Leben bleibt.«
    »Pah, dass ich nicht lache. Ritter Eccard hat eindeutig dir den Befehl erteilt, ihm Wasser und etwas zu essen zu bringen – ich erinnere mich noch genau. Wahrscheinlich hast du es am Ende sogar selbst gefressen.«
    Die Männer blickten einander mit krauser Stirn an. Sie kannten sich schon eine Ewigkeit und nahmen die Worte des anderen nicht allzu schwer.
    »Ich habe nicht vor, mich neben einem Toten mit dir zu streiten, du Holzkopf. Komm, lass uns verschwinden.«
    »Und die Leiche? Wir können den wohl schlecht hier liegen lassen und warten, bis er vergammelt.«
    »Ach was, den holen wir ein andermal. Schließlich müssen wir erst ein Loch ausheben, wo wir ihn reinwerfen können, und so wie ich unseren Herren kenne, müssen wir dann auch noch dem Priester Bescheid geben. Bei dem wird ja jede Ratte nach christlichem Brauch beerdigt. Bevor das nicht erledigt ist, liegt der hier doch ganz gut.«
    Der zweite Mann schwieg und dachte über die Worte seines Freundes nach.
    So versunken waren die beiden Wachen in ihre Überlegungen, dass sie nicht mitbekamen, was neben ihnen geschah.
    Kaum erkennbar und unendlich langsam begann Albert sich zu regen. Geräusche, die er schon seit Tagen nicht mehr vernommen hatte, drangen wie aus weiter Ferne an sein Ohr. Das Licht einer Fackel färbte das Innere seiner geschlossenen Lider rot. Albert blinzelte. Er öffnete den Mund, doch kein Laut drang über seine ausgetrockneten Lippen. Es gelang ihm nicht, sich aufzusetzen, doch er wusste, dass er sich bemerkbar machen musste, wenn er hier nicht sterben wollte. Immer wieder befahl er sich: Sprich, sag etwas, beweg dich, aber sein Körper wollte ihm nicht gehorchen, sein Fleisch war zu schwach. Dann endlich entrang er sich ein mühevolles Röcheln.
    »Hast du das gehört?«, fragte einer der beiden plötzlich und wurde blass.
    »Was denn? Ich habe nichts gehört. Machst du dir jetzt etwa in die Hose?«
    »Der tote Kaufmann, er hat etwas gesagt. Ich habe es genau gehört!«
    »So ein Schwachsinn. Er ist tot , das hast du eben selbst gesagt!«
    Wieder stieß Albert unter fast unmenschlichen Mühen ein Stöhnen aus. Diesmal war es lauter, sodass auch der andere es hören konnte.
    »Verflucht noch mal, der ist ja gar nicht tot!«
    Beide Männer eilten zu Albert und drehten ihn mit ihren Stiefelspitzen auf den Rücken.
    »Ich fasse es nicht, dieser Kaufmann ist zäher als ich dachte. Los, hilf mir, ihn hochzuheben. Wir müssen ihn schnell in die Burg bringen. Vielleicht überlebt er ja!«
    Der Kräftigere der beiden schulterte den Gefangenen und hievte ihn die schmale Treppe hinauf, doch noch bevor die beiden Wachen das Tageslicht erreichten, verlor ihr geschwächter Gefangener wieder das Bewusstsein.
    Albert erwachte erst zwei Tage später. Es dauerte eine ganze Weile, bis er begriff, wo er sich befand und wie er dort hingekommen war. Er war allein in einer Kammer mit hoher Decke und zwei schmalen, weit geöffneten Luken, die einen frischen Windzug zu ihm ans Bett trugen. Tief atmete er den reinen Duft regengeschwängerter Luft ein und schaute hinaus.
    Von hier aus konnte Albert erstmals die Elbe sehen, die sich hinter dem letzten Erdwall der Burganlage befand. Der gewaltige Fluss wurde zwar von einem Deich gehalten – trotzdem sah er aus, als könnte er jederzeit über seine Ufer treten. Zunächst erkannte er bloß einige kleinere Fischerboote, dann auch die Segel eines Handelsschiffs, welches an seinem Fenster vorbeizog. Albert vermutete, dass die Riepenburg der Sicherung der Elbherrschaft diente und die Eintreibung der Zölle garantierte – ihr Standort schien vorzüglich dafür geeignet zu sein.
    Er hatte schon eine ganze Weile hinaus aufs Wasser geschaut, als er das erste Mal an sich

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