Tochter des Ratsherrn
die Menge, was einen selbstherrlichen Ausdruck auf des Priesters Gesicht hervorrief.
Kethe schwieg. Damit hatte sie nun wirklich nicht gerechnet.
In diesem Moment bemerkte der Geistliche die Magd Johanna. Ganz plötzlich tauchte sie vor ihm auf. Ihr Gesicht war gerötet und von Anstrengung gezeichnet. Endlich, dachte er noch, bevor er weitersprach. Es wurde Zeit für seine Beweise. Beherzt griff er in seine Tasche und förderte einen Tiegel und ein Stück Stoff mit einem grünen Fleck darauf zutage. »Wie erkennen wir Hexen, wenn sie vor uns stehen?«, fragte er die Menge, die ihm nun wieder ihre ganze Aufmerksamkeit zuwandte, mit kräftiger Stimme. »Ganz einfach: Es beginnt damit, dass sie mit Kräutern und Hexensprüchen versuchen, ihren schwarzen Zauber anzuwenden. Auch die Hexe Runa hat das getan. Seht her, hier sind die Beweise für ihr Tun. Mit diesem grünen Sud, den ihr auf jenem Tuch in meiner Hand seht, hat sie versucht, eine Kranke zu behandeln.« Everard hob den ersten Beweis bedeutungsschwer in die Luft. »Und die Salbe in diesem Tiegel hat sie sogar auf den Ausschlag ihrer eigenen Tochter geschmiert. Das arme unschuldige Kind!«
Ein Beben ging durch die Menge. »Statt zu beten, hat sie sich eines teuflischen Zaubers bedient, aber sie war nicht unbeobachtet bei ihrem schwarzen Werk. All das wurde mir von ihrer gottesfürchtigen, stummen Magd angetragen. Sie hat es gesehen und in Gegenwart einer heiligen Bibel beteuert, dass es die Wahrheit ist. Unser Herr muss sie an meine Seite gestellt haben, damit ich als sein Werkzeug diene und dieser Ketzerei ein Ende bereite.«
Noch bevor Johannes sich’s versah, hatte der Priester ihn auch schon auf die Kiste gezerrt und sein Kinn gepackt. Die andere Hand lag auf seinem Kopf, alle fünf Finger auf seiner Stirn, sodass er sich kaum mehr bewegen konnte.
Wie eines seiner Beweisstücke präsentierte der Geistliche das Gesicht der Magd der johlenden Menge.
Runa klappte die Kinnlade herunter. Sie konnte es nicht fassen. Johanna! Die bettelarme Bauerntochter, für die sie sich bei Walther so eingesetzt hatte. Ausgerechnet sie war mit Vater Everard im Bunde!
Der Priester gab Johannes wieder frei, doch er war noch nicht am Ende mit seinen Ausführungen. »Was noch lässt uns vermuten, dass eine Hexe in der Nähe weilt?«, fragte er mit laut tönender Stimme, nur um die Antwort gleich darauf selbst zu geben. Erneut griff er in seine ledernde Tasche und zog dieses Mal etwas Größeres heraus.
Schwarz und weich sah es von Weitem aus. Nicht jeder der Zuhörer erkannte es sofort, doch Ragnhild wusste gleich, worum es sich bei Vater Everards Beweisstück handelte. Und obwohl die Wahrheit so furchtbar war, konnte sie den Blick nicht abwenden. Dies würde das letzte Mal sein, dass sie das schwarz glänzende Fell von Runas geliebtem Poppo sah. Er war tot. Sein schlaffer Körper ließ keinen Zweifel daran. Ragnhild schluckte schwer, um nicht weinen zu müssen.
»Eine schwarze Katze«, spie der Priester verächtlich aus und ließ den Kadaver an den Hinterläufen über den Köpfen seiner Zuhörer baumeln. »Wohin die Hexe Runa auch ging, dieser Diener des Satans folgte ihr auf dem Fuße. Manchmal saß er sogar auf ihrer Schulter, fast so, als würden sie sich miteinander austauschen, die Hexe und der Kater.«
Die Menge geriet außer Rand und Band. Wüste Beschimpfungen und die schlimmsten Androhungen erfüllten die Luft.
Runas Kehle wurde staubtrocken. Sie schauderte. Natürlich war es vollkommener Unsinn, was der Geistliche behauptete, aber die Menge schien ihm zu glauben.
»Dreimal habe ich die Katze töten müssen. Immer wieder hat Satan sie zum Leben erweckt!« Er schrie mittlerweile. »Seht euch an, wie der Teufel gekämpft hat.« Mit diesen Worten entblößte er die Arme der Magd, die noch immer blutige Kratzer aufwiesen.
Kethe hatte längst jeden Widerstand und Protest aufgegeben. Sie war klug genug, um zu begreifen, dass die Macht, die ihr hier gegenüberstand, zu groß war. Als der Priester den Tiegel mit der Salbe hervorgeholt hatte, war ihr fast schwarz vor Augen geworden. Diesen Tiegel hatte Runa von ihr bekommen, die Salbe darin hatte sie selbst angemischt. Schlagartig wurde ihr klar, dass sie sich in derselben Gefahr befand wie Runa – wo auch immer ihre Freundin gerade sein mochte.
Obzwar der Priester seine Zuhörer schon zu großen Teilen auf seine Seite gezogen hatte, nahm sein hasserfüllter Wortschwall noch an Heftigkeit zu. Mit einem letzten Stoß
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