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Tochter des Ratsherrn

Tochter des Ratsherrn

Titel: Tochter des Ratsherrn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: J Tan
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ist dafür?«
    Vater Everards Herz raste, doch es vergingen nur wenige Sekunden, bis die ersten Rufe der Zustimmung ertönten.
    »Ich sage, holen wir die Hexe!«
    »Ja, brennen soll sie!«
    »Auf, auf zu ihrem Haus!«
    Die Leute riefen und johlten, bis eine schrille Frauenstimme dazwischenfuhr.
    »Aufhören! Ich sage Schluss damit! Sofort!«
    Die Männer und Frauen schauten sich suchend um. Jeder von ihnen wollte sehen, welch mutige oder aber törichte Seele es wagte, sich einem Mann der Kirche entgegenzustellen.
    Gleich nachdem Marga zu ihrem unendlichen Schrecken die wutverzerrte Fratze Vater Everards entdeckt hatte, waren auch die anderen Frauen auf ihren Beichtvater aufmerksam geworden.
    Runa hatte ihn als Letzte entdeckt, zu sehr war sie damit beschäftigt gewesen, auf ihre Füße zu achten und ihren Bauch zu schützen. Jetzt aber heftete sie den Blick auf den Geistlichen, der wild mit den Armen rudernd etwas erhöht über der Menge vor der Trostbrücke stand und in flammenden, aber noch unverständlichen Worten zu den Bürgern vor ihm sprach. Ihre grenzenlose Verwunderung darüber, Walthers einstigen Ziehvater hier anzutreffen, wich schnell einem beklemmenden Gefühl der Angst. Warum war er hier, und was tat er da? Fast im gleichen Moment machte die Menge einen Ruck nach vorn und schob die Frauen dichter an Everard heran. Nun konnten sie hören, was er predigte – und das, was sie vernahmen, entsetzte sie zutiefst.
    Noch bevor Vater Everard ihren Namen genannt hatte, hatte sie gewusst, dass er sie meinte, auch wenn sie sich nicht erklären konnte, warum. Alles, woran sie jetzt noch denken konnte, war, dass sie dieses Unheil selbst heraufbeschworen hatte. Sie war es gewesen, die Godeke nach Sandstedt geschickt und diesen Geistlichen somit in ihr Haus gelockt hatte, der sie gerade anprangerte. Runa erstarrte, spürte, wie sie von panischer Angst ergriffen wurde.
    Auch die anderen Frauen zitterten vor Furcht. Keine sprach auch nur ein einziges Wort, alle vier ließen sie sich willenlos von der Menge vorwärts tragen, weiterhin gezwungen, die vernichtenden Worte über ihre Freundin, Tochter, Schwester und Mutter mit anzuhören. Es gab kein Entkommen. Sich in der Masse der Leiber zu verstecken war nun ihr einziger Schutz. Selbst die Kinder blickten zu Boden und schwiegen still. Alle wussten, wenn man sie hier entdeckte, stand ihnen Schlimmes bevor!
    Dann geschah etwas. Die eben noch aufgebrachte Menge wurde abrupt ruhiger. Wegen der Entfernung und ihrer gesenkten Köpfe bekamen die Frauen zunächst nicht mit, was passierte, doch plötzlich stieß Margareta Runa an und flüsterte aufgeregt: »Horch!«
    »Aufhören! Ich sage Schluss damit. Sofort!«, ertönte eine Frauenstimme.
    Runa wusste augenblicklich, wer dort sprach. Es war ihre Freundin, die Begine Kethe Mugghele.
    Um sie herum reckten Neugierige den Hals und stellten sich auf die Zehenspitzen, um besser sehen zu können, wer sich hinter der Stimme verbarg.
    »Das ist doch alles Unfug!«, wetterte Kethe gegen den Kirchenmann. »Runa ist eine gute Christin und hat ganz sicher nichts mit dunkler Hexenkunst zu schaffen.«
    Offensichtlich brauchte Vater Everard einen Moment, um sich zu sammeln. Dann aber schlug er mit all seiner Empörung zurück. »Wer bist du, Weib, dass du das Wort eines Dieners Gottes anzweifelst?«
    Kethes Stimme verlor nicht an Kraft, als sie erwiderte: »Auch ich bin eine Dienerin Gottes. Mein Name ist Kethe Mugghele, und ich bin Begine im Kloster der Blauen Schwestern.«
    Vater Everard ließ sich nicht beeindrucken. Ganz im Gegenteil. »So so, eine Begine seid Ihr also. Gerade von Euch hätte ich erwartet, dass Ihr das Böse erkennt, wenn es Euch geradezu anspringt. Doch Ihr seid scheinbar blind für solche Dinge. Sagt mir, was lässt Euch an die Gottesfürchtigkeit der Runa von Sandstedt glauben? Habt Ihr etwa Beweise für Eure Behauptung?«
    »Ich glaube deshalb an die Unschuld der Dame Runa, weil ich sie schon seit Kindertagen kenne und weder ihre Worte noch ihre Taten mich je an ihrem Glauben haben zweifeln lassen. Andere Beweise habe ich nicht, Vater. Aber habt Ihr denn welche?«
    »Durchaus!« Dieses eine Wort, das er Kethe Mugghele entgegenschleuderte, enthielt so viel Kraft und Überzeugung, dass es Runa angst und bange wurde. Was für Beweise konnte der Kirchenmann haben, die ihre angebliche Schuld belegten? Runa lauschte angespannt, die Schultern so hochgezogen, dass sie bereits schmerzten.
    Ein anerkennendes Raunen ging durch

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