Tochter des Ratsherrn
Ankunft aus Hamburg. Auch der Stock, den der Ritter stets bei sich trug, zeugte von einer ernsthaften Verletzung. Was das allerdings mit ihm zu tun haben sollte, erschloss sich Albert noch nicht ganz. Sein Interesse an der Geschichte war geweckt, doch sein Mitleid hielt sich in Grenzen. Einem Ritter, der fremde Reisende überfiel, geschah es nur recht, wenn er selbst Schaden nahm.
»Ich dachte, die Wunde wäre bereits gut verheilt, doch nach unserer Ankunft hier auf der Riepenburg packte mich plötzlich das Wundfieber. Zwei Wochen hielt es mich in seiner Gewalt. Bedauerlicherweise war es mir in dieser Zeit nicht möglich, meinen Männern Befehle zu erteilen, und bedauerlicherweise seid Ihr in dieser Aufregung wohl – wie soll ich es nennen – in Vergessenheit geraten.« Eccard Ribe zuckte die Schultern und setzte einen entschuldigenden Blick auf.
»Man hat mich vergessen ?« Albert schwankte zwischen Erstaunen darüber, dass der Ritter tatsächlich eine halbwegs glaubhafte Erklärung für sein Verhalten liefern konnte, und Verachtung für die Männer, die so leichtfertig sein Leben aufs Spiel gesetzt hatten.
Eccard Ribe bemerkte den Widerstreit zwischen Alberts Gefühlen. »Seid gewiss, ich habe die entsprechenden Männer bereits bestraft. So etwas hätte nicht passieren dürfen. Umso erfreuter bin ich darüber, dass Ihr nun wieder wohlauf seid, und aus diesem Grunde habe ich ein fürstliches Mahl für Euch bereiten lassen.«
Albert nickte bedächtig. Sollte das, was der Ritter ihm erzählt hatte, tatsächlich der Wahrheit entsprechen, hatte dieser viel Geduld mit ihm bewiesen. Doch noch immer gab es Gründe, Eccard Ribe zu misstrauen. Sein Vater war ein Mörder und Plünderer, der wehrlose Bürger ausraubte. Möglicherweise hatte sogar einer der Ribes Thiderich auf dem Gewissen. Mit einem solchen Mann verband ihn nichts. Männer wie die Ribes besaßen keine Ehre, niemals würde Albert mit einem von ihnen Freundschaft schließen können. Und dennoch, Albert war Eccard Ribe ausgeliefert, und er durfte ihn nicht unnötig verärgern, wenn er am Leben bleiben wollte. Er musste wenigstens versuchen, für die Zeit des Einlagers mit ihm auszukommen.
Der Ritter durchbrach Alberts Gedanken. »Wollt Ihr nun doch mit mir trinken, Kaufmann?«
Albert stand wortlos auf, griff nach seinem Becher, reckte ihn in Ribes Richtung und leerte ihn in einem Zug.
Der Ritter tat es ihm gleich, wischte sich den Mund ab und seufzte zufrieden. »Wunderbar! Ich schätze, Ihr seid hungrig. Wie ich Alusch kenne, hat sie Euch in den vergangenen Tagen nichts als Suppe zukommen lassen, hab ich recht? Das tut sie immer, wenn jemand krank ist, und niemand schafft es, sie davon zu überzeugen, dass Männer Fleisch brauchen.«
Albert nickte mit einem schiefen Lächeln. Er konnte sich lebhaft vorstellen, wie sich die dicke Alusch gegen jeden Kerl durchsetzte, mochte er auch noch so hart gesotten sein. »Ja, das stimmt«, bestätigte er. »Es gab Suppe – zu jeder Tages- und Nachtzeit. Und ja, ich habe Hunger auf feste Speisen. Großen Hunger, um ehrlich zu sein!«
»Dann greift ordentlich zu«, forderte Eccard Ribe seinen Gast wohlwollend auf.
In diesem Moment kam Alusch herein. Schon vorhin hatte sie keinen Ton gesagt, und auch jetzt sah ihr Gesicht äußerst sauertöpfisch aus.
Der Ritter musste grinsen, als er sie sah. An Albert gewandt sagte er: »Sprecht sie heute ja nicht an. Es missfällt ihr gewaltig, dass wir beide langsam wieder gesund werden und anfangen, ihre Suppe zu verschmähen.« Dann begann er so laut und so herzlich zu lachen, dass es von den Wänden widerhallte.
Alusch allerdings stemmte ärgerlich die fleischigen Arme in die Hüften und strafte die Männer mit einem wütenden Blick.
»O bitte, schau nicht so«, flehte der Ritter gespielt unterwürfig. »Mach uns lieber ein Feuer im Kamin, damit wir nicht frieren.«
»Ist recht, mein Herr «, sagte sie mit nicht zu überhörender Bissigkeit, entzündete ein Feuer und ging wieder hinaus.
Albert wunderte sich nicht schlecht über den scharfzüngigen Ton der Frau. Der Ritter ließ sich scheinbar einiges von ihr gefallen.
»Sie meint es nicht so, die gute Seele. Doch sie scheint nur glücklich zu sein, wenn irgendwer auf der Burg krank ist, sodass sie ihn umsorgen kann.«
Albert hatte keine Mühe, das zu glauben; etwas anderes allerdings stimmte ihn nachdenklich. Obwohl Alusch alle Tätigkeiten einer Magd übernahm, trug sie überaus gute Kleidung aus feinem Tuch, die
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