Tochter des Ratsherrn
sich eine Frau des Gesindes niemals hätte leisten können. Außerdem sprach sie, wie er eben selbst erlebt hatte, in einem Ton mit dem Ritter, der für eine Bedienstete normalerweise sträflich war. »Alusch ist nicht wirklich Eure Magd, oder?«
Eccard Ribe lachte kurz auf. »Man könnte fast meinen, sie wäre eine, nicht wahr? Es wird Euch sicher erstaunen, wenn ich Euch erzähle, dass sie meine Großtante ist.«
»Ihr habt recht. Das erstaunt mich in der Tat«, erwiderte Albert aufrichtig. Gespannt wartete er auf eine Erklärung.
»In jungen Jahren war sie mit einem Ritter verheiratet, doch ihr Mann starb früh, woraufhin sie auf eigenen Wunsch unverheiratet blieb. Viele Jahre lebte sie allein und zurückgezogen. Mein Vater versuchte immer wieder vergeblich, sie von einer neuen Heirat zu überzeugen, doch sie wollte nicht. Irgendwann bot er ihr an, bei uns auf der Burg zu wohnen, und zu seiner Überraschung nahm sie sein Angebot an. Seit diesem Tage ist sie für alle auf der Burg eine Art Mutter.«
Albert öffnete den Mund, um etwas sagen, doch der Ritter sprach schon weiter: »Nur für den Fall, dass Ihr vorhabt, einem so grausamen Ritter wie mir zu unterstellen, seine eigene Großtante zu Magdsdiensten zu zwingen: Alusch will all diese niederen Tätigkeiten verrichten. Entgegen der gottgewollten Ordnung sowie meinen und den Wünschen meines Vaters zum Trotz ist sie einfach nicht davon abzubringen – weiß der Himmel, warum. Glaubt mir, wir haben alles versucht, aber sie hat einen starken Willen. Wie es scheint, ist das Leben einer Edelfrau nicht jedermanns Sache.«
Albert war erstaunt. Hier auf der Burg schien einfach nichts so zu sein, wie es sich auf den ersten Blick darstellte. Noch nie hatte er von einer Dame gehört, die es billigend in Kauf nahm, für eine Magd gehalten zu werden. Er nahm sich vor, sich diese Lektion zu merken und nicht mehr so vorschnell zu urteilen. Nicht zuletzt deswegen wollte Albert versuchen, sein Misstrauen dem Ritter gegenüber für den Moment so weit niederzukämpfen, dass sein Gewissen es ihm erlaubte, weitere Fragen zu stellen. »Ihr erwähntet eben Euren Vater, Hermann Ribe. Wo ist er derzeit? Befindet er sich noch immer in Gefangenschaft?«
»Nein, ich denke, er ist auf unserer Burg Hitzacker. Warum? Kennt Ihr ihn etwa?«
»Nein, das wäre zu viel gesagt. Ich hörte von ihm.«
»So? Erzählt mir davon, Kaufmann. Welche der vielen Lügen und Wahrheiten habt Ihr gehört?«, fragte Eccard Ribe deutlich belustigt.
Der Frage des Ritters war zu entnehmen, dass ihm die Vorwürfe gegen seinen Vater sehr wohl bekannt waren und er nicht vorhatte, diese zu bestreiten. Darum erwiderte Albert: »Nun, man erzählt sich, Euer Vater habe früher an zahlreichen Raubzügen und Überfällen teilgenommen und mitunter beachtliche Beute gemacht.«
»Und weiter? Was ist Euch noch zu Ohren gekommen?«
»Ich hörte von der Fehde, die vor drei Jahren mit Lübeck wegen ebendieser Überfälle begann. Aber wer in Hamburg erfuhr nicht davon? Schließlich waren es ja die Hamburger, die sich Lübeck anschlossen, um gemeinsam gegen so ehr- und gesetzlose Ritter wie Euren Vater, Reynber von Karlow und seine Mannen zu ziehen.«
Der Ritter nickte, ohne die Miene zu verziehen. »Bitte, sprecht weiter. Ich bin sehr gespannt, was man sonst noch über diese Sache sagt.«
»Wie Ihr wollt. Obwohl ich, ehrlich gesagt, nicht weiß, was das bringen soll. Ich glaube nämlich nicht an die erlogenen Friedensbekundungen von Plackern. Darum erwartet besser nicht zu viel von mir.«
»Sprecht ruhig frei heraus.«
»Also gut: Dieses Jahr wurde die Nachricht über einen Vergleich in Hamburg verbreitet. Otto von Braunschweig-Lüneburg, Nicolaus von Schwerin und die Grafen Adolf und Gerhard von Holstein dienten hierbei als Schlichter. Wie Ihr zweifelsohne wisst, wurde Euer Vater kurz zuvor gefangen genommen und durch diesen Vergleich dazu gezwungen, seine Burg Wehningen zu schleifen, die er erst wenige Jahre zuvor hatte erbauen lassen. Es dürfte ihm nun weit schwerer fallen, die zahlreichen Schätze zu verwahren, welche er bei seinen Überfällen auf die Elbschiffer erbeutete.« In Alberts Ton schwangen Hohn und Spott über den Verlust des Ritters mit – gerade so viel, dass es der Ritter bemerkte, und gerade so wenig, dass er darüber hinwegsehen konnte.
Eccard Ribe klatschte langsam in die Hände. »Ihr seid erstaunlich gut informiert, Kaufmann. Ich muss schon sagen, Ihr überrascht mich.«
Albert nickte kurz
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