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Tochter des Ratsherrn

Tochter des Ratsherrn

Titel: Tochter des Ratsherrn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: J Tan
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diese. »Schau dir lieber das an.«
    »Was zum Teufel …«, stieß Johannes ungläubig aus und fuhr erschrocken zurück. Mit weit aufgerissenen Augen blickte er fragend zwischen Bodo und Luburgis hin und her. »Könnt ihr mir vielleicht mal erklären, was Godeke hier macht?«
    »Er ist uns zufällig über den Weg gelaufen«, erklärte Luburgis.
    » Über den Weg gelaufen? Und darum liegt er jetzt hier herum?«
    »Es war nicht geplant«, versuchte Bodo, Luburgis’ Erklärung zu ergänzen. »Er stand plötzlich …«
    »Ach, halt den Mund, du Holzkopf«, fuhr Johannes den groben Hünen barsch an, der im gleichen Moment von seinem Schemel schnellte und die Fäuste hochnahm. Doch als Johannes sich trotz seiner weit geringeren Körpergröße völlig unbeeindruckt zeigte, ließ er sie verwirrt sinken.
    In diesem Moment trat Luburgis zwischen die Männer. »Schluss jetzt. Bodo, bitte geh und bring uns etwas Wasser vom Fluss.«
    Zu Johannes’ grenzenlosem Erstaunen setzte sich der Hüne sofort in Bewegung. Unter anderen Umständen hätte Johannes seine Stiefmutter mit Sicherheit gefragt, wie sie es geschafft hatte, diesen hirnlosen Klotz zu zähmen, doch seine Gedanken galten einem neuen Problem. »Ist er tot?«, fragte er und deutete mit der Stiefelspitze auf seinen Zwillingsbruder.
    »Nein. Allerdings ist er mehr tot als lebendig. Bodo und ich waren im Wald unterwegs, um unsere Fallen auf Wild zu kontrollieren. Bei dem Baumstamm, den Bodo einmal geschlagen hatte, um Reisende aufzuhalten, stand ein Pferdewagen. Ich schlich näher heran, und als ich erkannte, dass es Godeke war, der da vor mir stand, war es schon zu spät. Bodo zog ihm den Knüppel so heftig über den Schädel, dass er seitdem nicht mehr erwacht ist. Ich habe seine Wunde versorgt, doch er will einfach nicht wieder zu sich kommen.«
    Johannes sah seine Stiefmutter von der Seite an. Ihr Blick war noch immer auf Godeke gerichtet und hatte etwas Weiches bekommen. Ohne dass Johannes es wollte, keimte die Eifersucht in ihm auf. Luburgis hatte seinen Zwillingsbruder in den letzten Jahren schmerzlich vermisst und daraus nie ein Geheimnis gemacht. Nun war er endlich zurück – wenn auch nicht ganz freiwillig –, und sie schien sich sehr darüber zu freuen. Johannes wurde wütend. Hatte Godeke nicht alles, was ihm selbst jahrelang verwehrt geblieben war? Eine Frau, ein Haus, eine Familie? Musste er nun auch noch das Einzige bekommen, was Johannes bisher allein gebührte: die Liebe von Luburgis? Nein, das würde er zu verhindern wissen. Kalt und entschlossen sagte er: »Du musst ihn fesseln.« Dann wandte er sich von seinem Bruder ab.
    »Was? Warum sollte ich das tun? Er ist doch bewusstlos, und außerdem ist er verletzt«, sagte Luburgis in mitleidigem Ton.
    »Herrgott noch mal, Mutter«, fuhr Johannes sie an. »Was, glaubst du, wird passieren, wenn er aufwacht? Meinst du, er wird sich freuen, hier zu sein, und mit uns zusammen einen Becher erheben?«
    »Ganz sicher nicht«, spie Thiderich mit einem Male hasserfüllt aus, worauf Johannes und seine Stiefmutter ruckartig herumfuhren und ihn wie aus einem Munde anherrschten: »Halt’s Maul!«
    Luburgis musste einsehen, dass ihr Stiefsohn recht hatte. Sosehr sich auch alles in ihr dagegen sträubte, sie sollte Godeke tatsächlich fesseln. Wider besseres Wissen hatte sie insgeheim gehofft, ja, sich sogar sehnlichst gewünscht, Godeke würde sich freuen, sie wiederzusehen, doch sein Gesicht hatte nichts als Ablehnung erkennen lassen, als sie plötzlich vor ihm gestanden hatte.
    Johannes nahm sich ein Stück Käse, das einladend auf dem Tisch stand. Seitdem sie Thiderich mit Alberts prall gefüllter Geldkatze gefangen genommen hatten, mussten sie keinen Hunger mehr leiden. Regelmäßig brachte Heseke ihnen nun die leckersten Köstlichkeiten vom Markt in den Wald – so wie diesen Käse. »Was habt ihr euch denn nur dabei gedacht, Mutter?«, tadelte Johannes kopfschüttelnd. »Nun haben wir schon zwei Gefangene in unserer beengten Hütte. Wenn das so weitergeht, können wir bald ein eigenes Dorf hier im Wald gründen.«
    »Es war ja nicht geplant. Das Ganze war ein dummer Zufall. Bevor ich Bodo davon abhalten konnte, hatte er auch schon zugeschlagen. Und so verletzt, wie Godeke war, konnten wir ihn ja schlecht dort liegen lassen. Ich sage dir, mein Sohn, das alles ist höchst seltsam. Vielleicht wollte Gott, dass es so kommt. Es ist schon viele Wochen her, dass Bodo den Baumstamm an dieser verlassenen Stelle gefällt

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