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Tochter des Ratsherrn

Tochter des Ratsherrn

Titel: Tochter des Ratsherrn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: J Tan
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Niemand wird dich herauslassen, und deine Satansbrut wirst du allein zur Welt bringen müssen. Und wenn dein Balg erst einmal da ist, wird dir das Gleiche passieren wie jenem armen Schwein hier, das wir uns jetzt vornehmen werden. Also gib gut acht.« Damit gingen die Männer fort.
    Zu Tode erschrocken fragte sich Runa, was die Männer mit ihren groben Worten meinten, doch die grauenhafte Antwort auf diese Frage ließ nicht lange auf sich warten.
    Offenbar hatten die beiden Wachen eben einen Verbrecher in die Folterkammer begleitet, wo er nun stundenlang gequält wurde. Entsetzliches Schreien und Stöhnen drang in ihr Verlies hinein, und auch wenn sie die Foltermethoden nur vom Hörensagen kannte, konnte sie sich lebhaft vorstellen, wie man ihm die Arme brach, die Daumen quetschte und sein Fleisch mittels Feuer und kochendem Wasser verbrannte und verbrühte. Bald hatten die Schreie des Gefolterten nichts Menschliches mehr an sich.
    Nun wusste Runa, was man für sie vorsah. Sobald sie ihr Kind zur Welt gebracht hatte, sollte der Prozess gegen sie beginnen, in dessen Verlauf man sie womöglich foltern würde. Der Schrecken über diese Erkenntnis und die Schreie des gequälten Mannes ließen sie schier wahnsinnig werden vor Angst. Hilflos presste sie die Hände auf die Ohren und summte eine Melodie vor sich hin, die ihre Mutter ihr als Kind immer vorgesungen hatte. Dabei schaukelte sie mit dem Oberkörper vor und zurück, vor und zurück – immer wieder und wieder, bis sie kurz davor stand, den Verstand zu verlieren.
    Sie wusste, dass sie nur so lange vor der Folter sicher war, wie sie ihr Kind in sich trug, doch sie wusste auch, dass es sehr bald kommen würde. Schon längst hatte sie den ziehenden Schmerz in ihrem Unterleib bemerkt, doch sie versuchte ihn nicht zu beachten.
    Gleich nachdem Willekin Aios die Kurie des Ratsnotars verlassen hatte, entglitten Johann Schinkel seine mühsam beherrschten Gesichtszüge. Runa war im Verlies! Großer Gott, das durfte einfach nicht wahr sein! Er musste so schnell wie möglich zu ihr.
    »Jacob!«, brüllte er aus vollem Halse, während er sich abmühte, seine engen Stiefel überzustreifen.
    Der junge Diener schlich auf leisen Sohlen in den Raum und blickte seinen Herrn mit großen Rehaugen an.
    »Geh in die Vorratskammer, und bring mir Brot und Käse in einem Leinentuch. Schnell. Beweg dich, und glotz mich nicht nur dumm an. Und wenn du jetzt anfängst zu heulen, dann bekommst du eine Tracht Prügel, die du dein Lebtag nicht vergessen wirst.«
    Jacob war noch nie so schnell gelaufen. In Windeseile kehrte er zurück und übergab seinem Herrn das Gewünschte – ohne zu weinen.
    »Heilige Maria, ein Wunder ist geschehen«, sagte Johann nur und rauschte an dem Jungen vorbei.
    Draußen auf der Straße war es allerdings mit jeder Eile vorbei. Es kostete Johann alle Kraft, nicht zum Verlies zu rennen, doch er musste sich unauffällig verhalten. Schließlich kannte ein jeder das Gesicht des Domherrn und Ratsnotars. Hätte er sich irgendwie seltsam verhalten, wäre es gleich unzähligen Bürgern aufgefallen. So ging er aufgewühlten Herzens aber gemächlichen Schrittes auf den schlaksigen Wachmann des Kerkers zu und winkte ihn zu sich.
    Dieser kam folgsam herbeigeeilt und begrüßte ihn höflich: »Ratsnotar Schinkel. Welch eine Ehre.« Anschließend verbeugte er sich tief.
    Johann, dem nicht nach höflichem Geplauder zumute war, sagte in gebieterischem Ton: »Ich wünsche die Hexe zu sehen. Bring mich zu ihr.«
    »Natürlich«, erwiderte der Wächter, ohne zu zögern. »Folgt mir bitte. Doch ich warne Euch: Hütet Euch vor ihrem …«
    Johann Schinkel verdrehte die Augen und unterbrach den Mann unwirsch. »Ja, ja. Vor dem bösen Blick. Wer, glaubst du, bist du, dass du mir solche Ratschläge erteilen darfst, Bursche?«
    Der Wächter blickte den Ratsnotar erstaunt an. Seine Worte waren gut gemeint gewesen, doch offenbar hatte er sich ungeschickt ausgedrückt. Daher sagte er nun mit einer noch viel tieferen Verbeugung: »Bitte verzeiht mir, Herr. Natürlich braucht Ihr meine törichten Hinweise nicht. Ich bin nur ein einfacher Mann und weiß nicht, was ich sage. Hört nicht auf mich.«
    Johann ging nicht weiter darauf ein. Eigentlich war es nicht seine Art, derart unfreundlich zu sein, doch die Tatsache, dass jedermann Runa für eine gefährliche Hexe hielt, machte ihn einfach wütend.
    Der Wächter stieg vor Johann eine steile Wendeltreppe hinab, bis sie in einem schmalen Gang standen,

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