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Tochter des Ratsherrn

Tochter des Ratsherrn

Titel: Tochter des Ratsherrn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: J Tan
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Agnes überhaupt je gegeben hatte, lag dies nun ferner denn je. Für Agnes war er eine Frau, und das ließ sich nicht mehr ändern.
    Johannes konnte nur erahnen, wie verwirrt die Arme nach seinem Kuss sein mochte, noch dazu, weil er direkt danach zu ihr gesprochen hatte. Vermutlich war sie zutiefst erschrocken, vielleicht verabscheute sie ihn sogar, schließlich war die gleichgeschlechtliche Liebe eine schwere Sünde. Im Nachhinein musste Johannes zugeben, dass sein Liebesgeständnis überaus töricht gewesen war. Natürlich würde Agnes sich jetzt fragen, ob Johanna schon immer in der Lage gewesen war zu sprechen und sie all die Monate zum Narren gehalten hatte.
    Bei diesem Gedanken wurde Johannes von einem so heftigen Gefühl der Reue und Bitterkeit ergriffen, dass ihn schwindelte und er sich an eine versteckte Hauswand in einer Nische lehnen musste. Wie hatte er nach so vielen Wochen der Selbstbeherrschung nur derart den Kopf verlieren können? Die Antwort darauf war bitter: Er war verliebt!
    Einen winzigen Augenblick hatte er vor Runas Verhaftung sogar überlegt, Vater Everards Weisungen zu missachten und einfach bis zum Rest seiner Tage unter den von Holdenstedes als Magd zu dienen. Auf diese Weise hätte er wenigstens mit seiner Liebsten zusammen sein können. Doch Johannes hatte diesen Gedanken schnell wieder verworfen. Es sprachen unzählige Gründe gegen diese Idee.
    An dem Tage, an dem der teuflische Kater ihm Arme und Beine zerkratzt hatte, war Agnes seiner Männlichkeit fast auf die Schliche gekommen. Nur durch Zufall und Glück hatte sie sich davon abbringen lassen, ihm beim Wechseln seines Kleides zuzusehen. Dieses Versteckspiel wäre niemals ein Leben lang gutgegangen. Noch immer schauderte es ihn, wenn er an all die brenzligen Begegnungen mit Poppo in der Küche dachte. Der Kater hatte Johannes als Mann erkannt, doch zu seinem großen Glück war das Vieh der Einzige geblieben. Umso mehr Freude hatte es Johannes gemacht, Poppo in einen Sack zu stecken und ihn im Reichenstraßenfleet zu ertränken.
    Doch auch wenn es Poppo nicht gegeben hätte – er konnte unmöglich in Hamburg bleiben. Was, wenn ihn jemand erkannte, obwohl er wieder ein Mann war? Nein, Johannes’ Zeit hier in Hamburg war vorbei. Er musste gehen. Es wäre töricht, weiter in der Stadt herumzulaufen. Hier gab es nichts mehr, auf das er hoffen konnte. Sollte er Agnes zufällig begegnen, so würde sie ihm wahrscheinlich eher ins Gesicht spucken als ihm zuhören – wenn sie ihn überhaupt erkannte.
    Und so trat Johannes aus seinem Versteck und machte sich zum wiederholten Male auf in Richtung eines der Stadttore, nur mit dem Unterschied, dass er diesmal auch wirklich hindurchgehen würde!
    Der Weg zur Hütte im Wald war ihm noch nie so kurz vorgekommen. Im Gegensatz zu den letzten Wochen hatte er es heute gar nicht eilig, sie zu erreichen. War ihm in der Vergangenheit immer bloß ein einziger Tag geblieben, um zwischen Luburgis’ Hütte und dem Haus in der Reichenstraße hin- und herzulaufen und unterdessen alle Neuigkeiten mit seiner Stiefmutter auszutauschen, hatte er nun mehr Zeit, als ihm lieb war. Mit sich, seiner Lage, seiner Zukunft hadernd wünschte sich Johannes, der Weg würde niemals enden. Die Zeiten, da die Hütte für ihn ein Zuhause gewesen war, schienen in weiter Ferne zu liegen. Mittlerweile graute ihm nur noch davor.
    Genau wie eh und je kam Luburgis aus der Tür gelaufen, bevor Johannes auch nur die Schwelle erreicht hatte. Er hasste diesen Moment voller überschwänglicher Umarmungen und wappnete sich, doch heute hatte er offenbar nichts zu befürchten. Luburgis’ Gesichtsausdruck war ernst. Sie wirkte nachdenklich und etwas verwirrt.
    »Was ist passiert, Mutter?«, fragte Johannes ohne Umschweife.
    »Komm mit in die Hütte, und sieh selbst.«
    Johannes schlug das Herz plötzlich bis zum Halse. Was mochte nur Schreckliches geschehen sein, dass Luburgis es nicht in Worte fassen konnte? Voller Unbehagen, doch gleichzeitig auch voller Neugier, trat er hinter seiner Stiefmutter über die Schwelle. Seine Augen glitten über das tumbe Gesicht Bodos, der Johannes mit einem unfreundlichen Brummen begrüßte. Dann fiel sein Blick auf den gefesselten Thiderich, welcher aus irgendeinem Grund eine üble Platzwunde an der Lippe hatte und ihn so hasserfüllt anstarrte, dass Johannes das Blut in den Adern gefror.
    »Was ist denn mit dem passiert?«, fragte er und drehte sich zu seiner Stiefmutter um. »Vergiss ihn«, erwiderte

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