Tochter des Ratsherrn
Jons«, schloss Albert.
»Ja, und für mich«, fügte der Ritter hinzu. »Pferde sind teuer. Ein Tier zu verlieren bedeutet einen großen Verlust.«
Albert nickte, doch seine Gedanken galten längst nicht mehr dem Pferd. »Darf ich fragen, von welchem Kaufmann Ihr eben gesprochen habt?«
Eccard Ribe antwortete, ohne den Blick von Alyss zu nehmen. »Ein übler Geselle, mit dem ich noch eine Rechnung offen habe. Sein Name ist Johannes vom Berge.«
Albert stieß einen Laut der Verachtung aus. »Johannes vom Berge. Hab ich’s doch geahnt! Er ist in der Tat ein übler Geselle! Ich kenne ihn, müsst Ihr wissen, und auch ich habe noch eine Rechnung mit ihm offen.«
»Ja, ich weiß, dass Ihr ihn kennt«, gab der Ritter zu Alberts Erstaunen unbeeindruckt zurück. »Und ich habe mir auch schon gedacht, dass Ihr nicht gut auf ihn zu sprechen seid.«
Nun wurde Albert neugierig. »Woher wisst Ihr das? Ich habe Johannes vom Berge nie in einer unserer Unterredungen erwähnt.«
»Nun, kurz vor meiner Abreise aus Plön habe ich eine Unterredung zwischen Johannes vom Berge und Graf Gerhard II. mitbekommen. Der Kaufmann erzählte meinem Fürsten davon, dass Eurer Handelspartner Thiderich Schifkneht mit einem Sack voll Münzen verschollen sei, welche eigentlich dem Grafenhaus zustehen – der Anteil an Euren Holzgeschäften. Der Fürst war darüber natürlich sehr erbost und befahl mir daraufhin, Euch ins Einlager auf meine Burg zu schaffen, bis Ihr Eure Schuld getilgt habt.«
Albert erwiderte nichts. Mit großen Augen starrte er Eccard Ribe an. Hatte er tatsächlich richtig gehört? Seine Gedanken überschlugen sich.
»Was ist mit Euch?«, fragte der Ritter, als er Alberts starren Blick bemerkte.
Dieser riss sich zusammen und fragte: »Habt Ihr eben gesagt, Johannes vom Berge habe mit Graf Gerhard II. über Thiderichs Verschwinden gesprochen?«
»Ja, genau das sagte ich.«
»Großer Gott, das kann doch alles gar nicht wahr sein. Und ich habe es bereits die ganze Zeit gewusst!«
»Ihr sprecht in Rätseln, von Holdenstede. Was habt Ihr die ganze Zeit gewusst?«
Albert sah dem Ritter fest in die Augen und sagte: »Wenn Ihr mögt, dann erkläre ich es Euch bei einer Runde Schach.«
Je näher Johann Schinkel dem Haus in der Reichenstraße kam, desto langsamer wurden seine Schritte. Es war ein seltsames Gefühl, gleich das erste Mal das Haus zu betreten, in dem Walther jahrelang mit Runa zusammengelebt hatte, doch es gab für ihn kein Zurück mehr. Er musste es tun, wenn er Antworten haben wollte – und vor allem musste er es tun, bevor er nach Kiel reiste. Danach war es womöglich zu spät. Runa hatte er absichtlich nichts von seinem Plan erzählt. Es hätte ihr entweder falsche Hoffnungen gemacht oder sie beunruhigt – und beides wollte Johann nicht riskieren.
Ihr Abschied im Verlies war furchtbar schnell gekommen. Wie vermutet hatte die Wachablösung nicht lange auf sich warten lassen. Runa und er lagen noch eng umschlungen beieinander, aßen das Brot und den Käse, den Jacob eingepackt hatte, und sprachen über die wundersame Heilung Johannas, als es plötzlich an der Tür hämmerte. In Windeseile hatte Johann sein Hemd übergestreift und Runa einen letzten Kuss geben, dann hatte er dem Wachmann geöffnet und ihm den Schlüssel zurückgegeben.
Es zerriss ihm fast das Herz, Runa allein in dem kalten, finsteren Verlies zurückzulassen, doch bis zu seiner Rückkehr aus Kiel wollte er wenigstens versuchen, etwas für sie zu erreichen, weshalb er nun auch direkt zur Reichenstraße zu Walthers Haus eilte. Hier lebte laut Willekin Aios der Geistliche Vater Everard, der Runa der Hexerei beschuldigt hatte.
Johann straffte die Schultern, wusste er doch, dass er für das, was nun folgte, einen klaren Kopf brauchte. Dann hieb er kräftig mit der Faust gegen die Tür. Dreimal, viermal, fünfmal. Nichts rührte sich. Er wartete einen Augenblick und pochte erneut. Noch immer blieb alles still. Nach einer Weile begann er sich zu fragen, ob der Priester womöglich gar nicht mehr hier wohnte. Das Haus machte einen verlassenen Eindruck. Aber als er gerade ein letztes Mal klopfen wollte, öffnete ihm unvermittelt eine Magd die Tür.
»Bitte verzeiht, Herr. Meine Beine sind wegen eines Unfalls nicht mehr die schnellsten. Was wünscht Ihr?«
Johann war einen Moment verwundert. Wer beschäftigte denn eine lahme Magd? Dann aber schüttelte er diesen Gedanken ab und fragte: »Finde ich hier einen Geistlichen namens Vater Everard?«
»Ja,
Weitere Kostenlose Bücher