Tochter des Ratsherrn
nötig bis zum Tage seines Todes. Insgeheim flehte er allerdings, dass es nicht so weit kommen möge.
Draußen auf dem Hof angelangt blickte er versonnen in die schleierartigen, frühmorgendlichen Nebelfelder. Albert hatte festgestellt, dass dieser Ort die verschiedensten Gefühle in ihm wachrief. Während das Burggelände ihm am Morgen geheimnisvoll und irgendwie verzaubert vorkam, wurden die Stunden von Mittag bis Abend begleitet von kaum zu ertragender Eintönigkeit. Alles in allem vergingen die Tage auf der Burg nur zäh, und Albert langweilte sich zuweilen ganz fürchterlich. Ritter Eccard hatte recht behalten: Das Schachspiel war tatsächlich die beste Möglichkeit, sich die Zeit zu vertreiben. Jede Nacht hatten die Männer bislang gespielt, und obwohl die Partien mittlerweile länger wurden, hatte Albert bisher noch nicht ein einziges Mal gewonnen. Gestern waren ihm ein paar gute Züge gelungen, und heute, so nahm er sich ganz fest vor, wollte er Eccard schlagen.
Gedankenversunken schlenderte Albert über die Brücke, welche den erhöht gelegenen Wohnturm und die erste Wallanlage miteinander verband, dann stieg er die Stufen des Walls hinunter und hielt genau auf die vereinzelt stehenden Fachwerkgebäude zu, die ebenfalls zur Burg gehörten. Schon bei seiner Ankunft auf der Riepenburg hatte Albert vermutet, dass es sich dabei um die Ställe, um Wohnhäuser und um eine wegen Brandgefahr ausgelagerte Küche handelte. Das wollte er nun genauer in Augenschein nehmen.
Er betrat das längste der Gebäude, dessen hölzerne Flügeltür weit offen stand, und stellte fest, dass es tatsächlich ein großzügiger und heller Stall war. In seinem Inneren duftete es angenehm nach frischem Stroh und dem Holz der teilweise mannsdicken Balken. Durch die Mitte verlief ein breiter Gang. Rechts und links befanden sich die Pferdeboxen, aus denen einige Köpfe neugierig in Alberts Richtung schauten. Das leise Kauen der Pferde und das Rascheln des sauberen Strohs drangen an sein Ohr. Alles war gefegt und ordentlich, und selbst die Pferde glänzten wie blanke Silberpokale. Hier verstand jemand offenbar sein Handwerk.
Albert schritt den Gang entlang und blieb vor einer Nische mit Futtersäcken stehen. Langsam ließ er den Hafer durch seine Hände rieseln. Eccard musste recht vermögend sein, wenn dies tatsächlich alles seine Pferde waren.
Während er beruhigende Worte murmelte, näherte er sich der Box eines Rappen, der ihn sogleich nach Futter zu durchsuchen begann. Albert reichte ihm eine Handvoll Hafer, die er dem Sack entnommen hatte. Gierig fraß der Schwarze die dargebotene Kost und durchsuchte ihn mit seiner geübten Oberlippe gleich weiter nach Futter. Es schien, als ob das Pferd für gewöhnlich bekam, was es forderte, denn als Albert einen Moment nicht hinsah, biss der Rappe ihm kräftig in die Finger.
»Verdammt noch mal«, stieß er fluchend aus und zog seine Hand schnell zurück. »Ist das der Dank für den Hafer, du Vielfraß?«
»Das kommt davon, wenn man sie mit der Hand füttert«, sagte plötzlich eine Stimme hinter ihm.
Albert drehte sich um, konnte aber niemanden entdecken. »Wer ist da? Zeig dich gefälligst, wenn du mir schon Ratschläge erteilst.«
Ein Junge trat aus einer der Pferdeboxen. Albert erkannte ihn sofort. »Du bist doch Jons, oder?«
»Ja, Herr. Bitte verzeiht, wenn ich unverschämt zu Euch war, aber Ihr solltet die Pferde nicht aus der Hand füttern. Sonst passiert so etwas.« Jons zeigte mit dem Kinn auf Alberts schmerzende Finger, die er sich noch immer rieb.
»So, so«, brummte Albert etwas argwöhnisch und musterte den Jungen. Er musste zugeben, dass er nicht besonders viel Ahnung von Pferden hatte, doch wie viel Ahnung konnte dieser kleine Kerl schon davon haben? »Was tust du eigentlich hier um diese frühe Stunde?«
»Ich versorge die Pferde, Herr. Sie brauchen Wasser und Futter, und außerdem putze ich sie jeden Morgen. Seht Ihr, wie ihr Fell glänzt?«
Albert musste über den unverhohlenen Stolz des Jungen schmunzeln, doch er hatte recht mit dem, was er sagte. »Ja, ich sehe es. Du scheinst ordentliche Arbeit zu leisten. Bist du der Stallbursche des Ritters?«
»Nein, eigentlich bin ich sein Page. Doch die Arbeit mit den Pferden ist mir die liebste. Ich stehe jeden Tag in aller Frühe auf, damit ich meine anderen Aufgaben auch noch schaffe.«
Albert nickte anerkennend. Trotz der vorlauten Belehrung mochte er den Jungen auf Anhieb.
»Kommt hier herüber, Herr, dann zeige ich
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