Tochter des Ratsherrn
ihn wissen zu lassen, dass er seine Worte zu schätzen wusste. Dann fügte er mit belegter Stimme hinzu: »Wenn es tatsächlich zum Schlimmsten kommt, werde ich alles tun, um sie nicht leiden zu lassen.«
Darauf gab es nichts mehr zu sagen. Die Männer sahen einander einen Augenblick bestürzt an, dann erhoben sie sich und schritten gemeinsam zur Tür.
Walther hatte die Hand bereits am Türblatt, doch er ließ sie wieder sinken. Langsam drehte er sich zum Ratsnotar um. »Auch ich habe Euch noch etwas zu sagen. Möglicherweise wäre es Runa nicht recht, dass ich es tue, aber die Umstände haben sich geändert.«
Johann blickte Walther mit gerunzelter Stirn an. »Ja?«
»Die eben erfahrenen Neuigkeiten geben mir zwar berechtigten Grund zum Zweifel, doch wenn Godeke es tatsächlich geschafft hat, unseren Plan auszuführen, dann sind die Frauen der Familie mit meinen Kindern Freyja und Thymmo in Eppendorf bei der Ratsherrnfrau Hildegard von Horborg.«
»Habt Dank für Euer Vertrauen. Ich werde mich persönlich von ihrem Wohlbefinden überzeugen und es Runa wissen lassen. Gewiss gibt es ihr Kraft, wenn sie ihre Kinder in Sicherheit wähnt.«
»Das ist aber noch nicht alles.« Walther rang mit sich. So viele Jahre hatte er dieses Geheimnis schon gehütet, sollte er es nun tatsächlich preisgeben?
»Was gibt es noch, das Ihr mir sagen wollt?«, drängte Johann, der sehr wohl bemerkte, dass Walther nicht ganz sicher war, ob er sprechen oder schweigen sollte.
Walther hatte sich entschieden und holte tief Luft, um sich zu wappnen. Dann sprach er mit fester Stimme: »Runa war bereits schwanger, als ich sie zum Weibe nahm. Es gibt keinen Zweifel daran, dass Thymmo nicht mein leiblicher Sohn ist.«
»Was meint Ihr damit?«
»Er ist der Eure!«
Johann taumelte zurück. Es war ihm, als hätte Walther ihm eine Ohrfeige verpasst. Ein ungläubiger Laut entfuhr seinem Mund, während er mit einer Hand an einer sarggroßen Truhe Halt suchte. »Großer Gott und Heilige Maria im Himmel! Das … ich … kann das wirklich wahr sein?«
»Ja, es ist wahr. Ihr habt einen Sohn. Vielleicht gibt es nun noch einen Grund mehr für Euch, Runa zu retten. Gott möge Euch beistehen. Ich werde für Euch beten.«
Damit verließ Walther die Kammer und begab sich direkt in die dunkle, kalte Burgkapelle. Ihr Inneres wurde allein vom silbrigen Mondschein erhellt, der durch die schmalen, unverglasten Fensterluken fiel. Vor dem Altar sank er zunächst auf die Knie und betrachtete eine Weile das hölzerne Kreuz vor ihm, dann legte er sich bäuchlings auf die nackten Steine, breitete die Arme aus und presste seine Stirn auf den Boden. In dieser Haltung allertiefster Demut sprach er bis zum Morgengrauen Gebete für Runa.
7
Klack … klack … klack …. Willekin Aios versuchte das immerwährende Geräusch zu überhören, welches Johannes vom Berge pausenlos erzeugte. »… und darum brauchen wir erfahrenere Kranführer. Das ist nun schon der dritte Unfall seit dem Kranfest! Wir sollten Männer aus Utrecht, Antwerpen oder Brügge holen, wo es derartige Kräne bereits gibt.«
Klack … klack … klack ….
Mit einem Gesicht, das mehr sagte als hundert Worte, drehte sich Henric Longhe zu seinem Sitznachbarn um. »Müssen wir tatsächlich darauf warten, dass Euer Fürspann durch den Tisch fällt, da Ihr es geschafft habt, ein Loch damit hineinzuklopfen?«, fuhr der hitzköpfige Kaufmann den in sich gekehrten Johannes vom Berge plötzlich an.
Der Angesprochene brauchte einen Moment, um zu verstehen. »Was sagt Ihr?«
»Euer Fürspann. Wäre es Euch möglich, ihn nicht fortwährend auf den Tisch zu schlagen? Es gibt in diesem Gehege tatsächlich Männer, die am Geschehen in der Stadt interessiert sind.«
Heiteres Gelächter ertönte, da niemandem der spöttische Unterton entgangen war.
Johannes war sein Verhalten tatsächlich nicht aufgefallen, zu sehr beschäftigten ihn seine eigenen Gedanken. Nun nach Henric Longhes höhnischer Bemerkung errötete er ungewollt. Eigentlich wäre es sein gutes Recht gewesen, den Kaufmann ob seiner Frechheit zur Rede zu stellen – schließlich besaß er selbst ein weit höheres Ansehen in der Stadt als Henric Longhe –, doch schon im nächsten Moment fuhr Willekin Aios fort.
»Habt Dank, Henric«, sagte der Bürgermeister ebenfalls belustigt. »Nun weiß ich auch wieder, was ich eigentlich sagen wollte.« Er wandte seinen Kopf in die andere Richtung und richtete das Wort an Olric Amedas. »Kann ich Euch damit
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