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Tochter des Ratsherrn

Tochter des Ratsherrn

Titel: Tochter des Ratsherrn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: J Tan
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betrauen, entsprechende Briefe an die jeweiligen Stadtherren zu überbringen? Eure Schiffe laufen doch noch diese Woche Richtung Flandern aus, und je schneller wir erfahrene Männer zum Führen unseres Krans bekommen können, desto besser.«
    »Ich werde mich persönlich darum kümmern«, versicherte der Angesprochene offenbar geehrt.
    »Gut, dann lasst uns später gemeinsam die Ratsschreiberei aufsuchen, wo wir die Briefe anfertigen lassen werden.«
    Ein zustimmendes Nicken des Ratmanns beendete diesen Teil der Sitzung.
    Willekin Aios sammelte kurz seine Gedanken und holte dann ein Papier hervor, welches sich in einem Schubfach an der Unterseite des Tischs befand. »Ich habe einen Brief von unserem Ratsnotar Johann Schinkel aus Kiel erhalten, meine Herren. Leider ist es keine erfreuliche Kunde, die ich nun zu berichten verpflichtet bin. Graf Johann II. hat jedwede Bitte um eine Versöhnung mit Graf Gerhard II. abgelehnt. Allein die Nachfrage soll ihn schon über alle Maßen erbost haben. Schinkel schreibt, die Genesung des Grafen habe diesen offensichtlich nicht wie gehofft milde gestimmt, weshalb es für ihn in Kiel nichts mehr zu tun gebe. Bei Eintreffen dieses Briefs befinde er sich darum schon wieder auf der Heimreise nach Hamburg.« Willekin blickte müde auf und fügte hinzu: »Nun, meine Herren, ich glaube, es ist überflüssig zu erwähnen, dass eine Fehde zwischen den gräflichen Vettern wohl kaum mehr abzuwehren ist. Wir müssen also damit rechnen, dass es am diesjährigen St. Veitsmarkt stürmisch zugehen wird. Wie jedes Jahr werden sich die Grafen an diesem Tag auf dem Kunzenhof versammeln, um nicht zuletzt über die Belange der Stadt zu reden.« Der Bürgermeister fuhr sich mit der Hand über den Bart. Er versuchte erst gar nicht zu verbergen, dass ihm das diesjährige Zusammentreffen der zerstrittenen Vettern Kopfzerbrechen bereitete.
    »Wenn wir eine kostspielige Fehde zwischen den Grafen schon nicht abwenden können, dann sollten wir die Zusammenkunft wenigstens dazu nutzen, um uns ein für alle Mal gegen das Einsetzen der zwei weiteren Vögte zu wehren«, warf Reyner von Wunsdorp ein.
    Seine Worte sprachen vielen Anwesenden aus dem Herzen – auch wenn die Lösung dieses Problems nun in noch weitere Ferne gerückt war als zuvor. Lärmender Tumult brach aus, als alle Ratsherren gleichzeitig ihre Meinung kundtaten. Die Niederlage Johann Schinkels trug ein Übriges zu ihrem Unmut bei, hatten sie doch all ihre Hoffnungen in das Geschick ihres Ratsnotars gelegt.
    »Ich bin dafür, dass wir deutlicher werden«, forderte Bertram von Hemechude. »Die Zeit des Flehens und Bittens ist vorüber!«
    »Genau, keine Worte der Unentschlossenheit mehr! Wir brauchen Taten!«, entschied Folpert Krempe.
    »Wir müssen den Grafen die Macht des Rates so unverkennbar aufzeigen, dass sie gezwungen sind, von ihren Plänen abzusehen«, forderte Hartwic von Erteneborg kämpferisch.
    »Meine Herren«, begann der Bürgermeister beschwichtigend. »Ihr sprecht mir wahrlich aus der Seele. Wir müssen deutlicher werden, und genau aus diesem Grunde habe ich einen Entschluss gefasst, den ich Euch heute mitteilen möchte. Johann Schinkel wird die Hexe peinlich befragen, sobald sie ihr Kind zur Welt gebracht hat. Er ist die Brücke zwischen Domkapitel und Rat. Wenn wir zusammenhalten, wird der gräfliche Vogt spüren, wie wertlos seine Anwesenheit in der Stadt ist.«
    »Ein geschickter Zug von Euch.«
    »Großartig!«
    »Sehr gut!«, schallte es aus den Mündern der nickenden Ratsherren.
    Auch wenn sie bislang keine Ahnung von den Plänen ihres Bürgermeisters gehabt hatten und es nicht üblich war, dass dieser derart gewichtige Dinge alleine entschied, vertrauten die Männer Willekin Aios und bekundeten ihr Einverständnis.
    Johannes vom Berge hatte sich bis jetzt nicht an der Debatte beteiligt, doch dieser Moment schien ihm geeignet zu verkünden, was er sich soeben zurechtgelegt hatte. Der Gedanke hatte ihn getroffen wie ein Blitz. Schon jetzt wusste er, dass dieser Vorschlag die Lösung des Problems darstellte. Erneut nahm er seinen Fürspann zur Hand, den er stets bei sich trug, seit er ihn auf der Wiese vor Bornhöved gefunden hatte. Dann begann er abermals, damit auf den Holztisch zu klopfen. Es dauerte nicht lange, bis er die Aufmerksamkeit der Männer gewonnen hatte. Um seinen Worten mehr Kraft zu verleihen, erhob er sich und stützte sich mit beiden Händen auf den Tisch.
    Die Runde der Ratsmänner war klein an diesem Tage,

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