Tochter des Ratsherrn
denn?«, fragte er sichtlich erstaunt.
O nein, sie hatte vollkommen vergessen, die neue Magd zu erwähnen, und das, wo sie wusste, dass Walther es nicht gern hatte, wenn sie ihn mit irgendetwas überraschte! Um eine feste Stimme bemüht sagte sie: »Das ist unsere neue Magd. Bitte entschuldige, ich habe vergessen, dir davon zu erzählen.«
»Schon gut. Es war schließlich dringend nötig, eine neue Magd einzustellen«, erwiderte er verständnisvoll und richtete dann das Wort an Johanna. »Wie heißt du?«
Runa nahm seine Hand. »Sie kann nicht sprechen.«
Walther fuhr herum und blickte seine Frau fragend an. »Was sagst du da? Warum stellst du eine Magd ein, die nicht sprechen kann?«
»Liebling, ihre Mutter versicherte mir, dass sie alles versteht, was du ihr sagst. Sie wird uns sicher nicht enttäuschen.«
»Was ist bloß in dich gefahren?«, donnerte Walther ungehalten. »Ich sage dir, wenn sie den Haushalt nicht ordentlich führt, wirst du dir eine andere Magd suchen. Hast du mich verstanden? Wir sind doch kein Armenhaus!«
Nun war es auch um Runas Geduld geschehen, die es nicht gewohnt war, dass er so barsch mit ihr redete. »Walther von Sandstedt, wir sind alle Gottes Kinder – auch Johanna. Ich werde nicht zulassen, dass du sie fortjagst, obwohl es keinen Grund dafür gibt. Sie bleibt. Kümmere du dich um deine Bücher. Den Haushalt besorge ich!«
Mit diesen Worten war das Gespräch beendet. Runa wusste, dass die Gelegenheit für eine weitere Beichte nun vertan war, doch sie nahm sich fest vor, es am nächsten Tag noch einmal zu versuchen.
Margareta hätte kaum glücklicher sein können. Zwei der Sprachschüler ihres Verlobten Hereward waren aus Nowgorod heimgekehrt. Die Nachricht ihrer Ankunft hatte die Reichenstraße schon erreicht, bevor sie überhaupt dort auftauchen konnten. Noch in ihrer verschmutzten Reisekleidung suchten sie Alberts Haus auf, um der Jungfrau eine Nachricht zu überbringen.
»Margareta, komm herunter. Zwei Boten deines Verlobten wünschen dich zu sprechen!«, rief Albert, obwohl er wusste, dass sie bereits am Absatz der Stiegen auf diese Worte lauerte.
»Jawohl, Vater, ich komme schon«, erwiderte sie, so ruhig sie konnte. In Wirklichkeit aber musste sie heftig nach Fassung ringen, als sie die beiden hochgewachsenen Männer in der Halle ihres Elternhauses stehen sah.
»Diese Männer haben eine Nachricht für dich, mein Kind.«
Margareta trat einen Schritt vor. Niemand konnte sehen, dass ihr die Beine zitterten, als die beiden Weitgereisten wie auf ein unsichtbares Zeichen hin vor ihr niederknieten. So musste es sich anfühlen, eine Fürstin zu sein, dachte sie flüchtig und unterdrückte ein freudiges Lächeln.
»Jungfrau Margareta, Euer Verlobter lässt Euch ausrichten, dass er wohlauf ist und seiner Rückkehr freudig entgegensieht. Gleich nach seiner Ankunft wünscht er, Euch vor Gott und der Welt zu ehelichen, auf dass Ihr fortan an seiner Seite weilt und ihm viele Söhne schenkt.«
Während der eine Mann sprach, holte der andere einen ledernen Beutel hervor. Er griff hinein und zog ein kostbares Brusttuch heraus. »Dies ist ein Geschenk Eures Verlobten aus dem fernen Nowgorod. Es soll der Bekräftigung unserer Worte dienen und Euch zieren, wie es einer zukünftigen Ratsherrnfrau würdig ist.«
Albert stieß seine Tochter sanft an, als er bemerkte, dass sie wie erstarrt auf das Tuch blickte. »Ja, willst du dein Geschenk denn gar nicht entgegennehmen, Kind?«
»O doch, natürlich. Ich danke Euch für das Überbringen dieser Nachricht. Richtet meinem Verlobten bitte aus, dass ich schon die Stunden zähle, bis er endlich heimkehrt. Und sagt ihm, bis zu diesem Tage werde ich sein Tuch nicht mehr ablegen.«
Wenig später waren die Männer verschwunden, doch die Aufregung im Hause blieb. Alle Bewohner freuten sich für Margareta, doch sie selbst war am allerglücklichsten. Nie zuvor hatte sie einen so ungewöhnlich gemusterten Stoff zu Gesicht bekommen. Selig vor Glück drückte sie das Tuch an ihr Herz. Bald schon würde Hereward von Rokesberghe eine Ehefrau und Mutter aus ihr machen, so wie Gott es für die Frauen vorgesehen hatte. Margareta hegte keinen größeren Wunsch als den nach einem Ehemann, und so trug sie das Brusttuch ihres Verlobten heute mit dem unverhohlenen Stolz, der eines Kirchganges eigentlich unangemessen war.
Thymmo und Freyja liefen Hand in Hand voraus. Wie so oft neckten sich die Geschwister gegenseitig im Spaß. Obwohl sie Mädchen und Junge
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