Tochter des Ratsherrn
Verbündete im Rat gegen die Forderung von Johannes vom Berge zu gewinnen. Es dürfte nicht schwerfallen, Männer zu finden, die wie wir aus der Not der Grafen Gewinn schlagen; umso schwerer allerdings wird es sein, die Ratsherren davon zu überzeugen, sich öffentlich gegen Johannes vom Berge zu stellen. Doch wir müssen es wenigstens versuchen.«
So uneins sie eben auch noch gewesen waren, Alberts Idee stellte, wie so häufig, eine kluge Lösung dar. Sie einigten sich darauf mit einem Handschlag und leerten ihre Becher. Dann verließen Thiderich, Godeke und Albert das Haus von Walther, in dem sie sich versammelt hatten. Jeder wusste, was er zu tun hatte. Es ging nun um ihrer aller Ansehen und Vermögen.
Nur Walther konnte wie immer nichts tun als abwarten. Als Alberts Vertreter und Buchführer war es nicht seine Aufgabe, große Taten zu vollbringen. Einst war er der festen Überzeugung gewesen, auch niemals das Bedürfnis danach zu verspüren, doch das hatte sich mit den Jahren geändert. Er war älter geworden, und mit seinem Geist waren auch seine Erwartungen gereift. Auch wenn er sich wahrhaft glücklich schätzen konnte, als armer Pfarrerssohn eines friesischen Dorfes heute in einem eigenen Haus wohnen zu können und die hübsche Tochter eines Ratsherrn geheiratet zu haben, befiel ihn mit den Jahren eine gewisse Unzufriedenheit. Im Gegensatz zu seinen Freunden tat er nicht das, was er liebte, würde niemals tun können, was er liebte. Er würde für immer der Untergebene Alberts sein und nicht wie Godeke oder Thiderich sein eigener Herr.
7
Marga hatte Johanna gründlich eingearbeitet. Sie war streng mit dem dürren Mädchen verfahren, hatte aber nie das Loben vergessen, sobald es eine Arbeit gut erledigt hatte. Anschließend war sie zu Ragnhild zurückgekehrt, begleitet von dem sicheren Wissen, dass Johanna es nun auch alleine schaffen konnte – und Johanna schaffte es!
Flinker und geschickter als sie es selbst je für möglich gehalten hatte, erledigte sie alle aufgetragenen Arbeiten zu Runas Zufriedenheit. Schon bald empfand sie Johanna als guten Ersatz für die bedauernswerte Agnes.
Doch auch im Beginenkloster geschah ein kleines Wunder: Eines Tages stattete Kethe Mugghele Runa einen Besuch ab, um ihr zu berichten, dass Agnes’ Genesung gut voranschritt. Auch wenn ihre Beine wohl steif blieben, würde sie leben und auch wieder laufen können.
Einige Zeit später kam Kethe zusammen mit Agnes in die Reichenstraße, und Runa zögerte nicht, ihre alte Magd kurzerhand wieder bei sich aufzunehmen. Nun konnte Agnes die stumme Johanna anweisen, die Dinge zu erledigen, die sie selbst wegen ihrer Beine nicht schaffte. Runa war überaus zufrieden mit sich und dieser Lösung, doch sie fürchtete, dass Walther ein Problem mit ihrer Entscheidung haben würde. Sie sollte recht behalten. Als sie ihrem Gemahl davon erzählte, schaute er sie an, als wäre sie nicht ganz klar im Kopf, doch Runa war auf einen Streit vorbereitet und ließ den Schwall wüster Worte zunächst einfach über sich ergehen.
»Habe ich dich richtig verstanden? Wir haben nun eine stumme und eine lahme Magd im Hause?«
»Ja«, antwortete Runa knapp.
»Und kannst du mir auch sagen, wer von denen die Hausarbeit übernehmen soll? Mir scheint, dir ist nicht bewusst, dass Mägde zum Arbeiten da sind.«
»Walther, ich bin mir sicher, dass …«
»Vielleicht findest du ja auch noch eine blinde Magd oder eine ohne Hände!«, unterbrach er seine Frau unwirsch. Dann wandte er sich von ihr ab und fuhr sich durch die Haare.
Beide schwiegen eine Zeit lang. Als Runa es nicht mehr aushielt, ging sie auf ihren Gemahl zu, der ihr den Rücken zugekehrt hatte. Sanft legte sie ihm eine Hand auf den Arm und sagte: »Wenn du erlaubst, dass sie beide bleiben, dann werde ich alles tun, damit sie ihre Aufgaben zu deiner Zufriedenheit erledigen. Bitte lass es mich versuchen, Walther.«
Ihr Gemahl sagte nichts, er atmete nur schwer. Es kostete ihn sichtlich Mühe, sich zusammenzunehmen.
»Nur zu, versuche es. Du tust ja ohnehin, was du für richtig hältst«, gab er schroff zurück. Er war zornig auf Runa, doch ganz sicher nicht wegen der Mägde. Noch immer hatte er dieses eine Bild vor Augen, konnte einfach nicht vergessen, wie seine Frau Johann Schinkel in der Kirche angeschaut hatte.
»Ich danke dir.« Auch wenn Runa sehr wohl gehört hatte, dass seinem Tonfall etwas Höhnisches anhaftete, war sie erleichtert. Sie hätte es einfach nicht übers Herz gebracht,
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