Tochter des Ratsherrn
waren, verstanden sie sich fast immer prächtig.
Runa und Margareta blickten ihnen mit einem Lächeln hinterher. Sie besuchten häufig zu viert die Kirche. Die Schwestern waren schon eine ganze Weile gegangen, als Runa das neue Tuch bemerkte. Der ungewohnt stolze Gang ihrer Schwester hatte sie verraten, und ihr schelmisches Lächeln ließ Runa bereits ahnen, von wem es stammte. »Du siehst wirklich wunderschön damit aus, liebe Schwester«, sagte sie und zeigte mit dem Kinn auf das Tuch. »Sag, woher hast du es?«
Augenblicklich färbten sich Margaretas Wangen rot. »Hereward hat es mir heute durch zwei seiner Sprachschüler gesandt. Ist es nicht bezaubernd?«
»Wahrlich«, nickte Runa und schaute genauer hin. »Es hat so viele Farben. Himmelblau, Sonnengelb und sogar die deines roten Haars.« Dann rückte sie näher an ihre Schwester heran, damit niemand ihr Getuschel hören konnte. »Zeig es heute in der Kirche ruhig herum. Die neidischen Weiber sollen sehen, dass dein Verlobter in der Ferne sehr wohl an dich denkt. Vielleicht haben die Tratschereien dann endlich ein Ende.«
Margareta hakte sich bei ihrer Schwester unter und lächelte sie dankbar an. Trotz aller Sticheleien verstand Runa ihre Verzweiflung und baute sie stets mit heiteren Worten wieder auf. Wenn Hereward doch nur endlich zurückkäme und die Worte ihrer Schwester überflüssig machte! Manches Mal meinte Margareta, die heimlichen Tratschereien der Frauen nicht mehr auszuhalten. Viele von ihnen schienen zu glauben, dass Hereward gar nicht vorhabe, sie jemals vor den Altar zu führen. Ganz böse Zungen behaupteten sogar, dass er Frauen im Allgemeinen nicht besonders zugetan war. Tatsächlich musste Margareta zugeben, dass es für einen Mann über dreißig und mit seiner Herkunft äußerst ungewöhnlich war, so lange unverheiratet zu bleiben. Der Tod seiner ersten Frau war nunmehr vier Jahre her. Kinder waren ihnen keine vergönnt gewesen. Margareta hoffte, ihre Aufgabe besser erfüllen zu können als ihre Vorgängerin.
Die Schwestern nahmen Freyja und Thymmo bei den Händen und betraten mit ihnen die schon dicht gefüllte Petri-Kirche. Es war kalt in den heiligen Gemäuern. Die Schritte der vielen Gläubigen hallten an den Wänden wider. Endlich fanden sie einen Platz für vier. Normalerweise stand Runa immer so, dass sie Walther auf der Seite der Männer wenigstens sehen konnte, doch nach dem gestrigen Mahl war die Stimmung so eisig zwischen ihnen, dass es ihr ganz recht war, mit Margareta und den Kindern in der Menge der Frauen zu verschwinden.
Sie konnte es schon lange nicht mehr leugnen, und auch anderen war es bereits aufgefallen: Sie und Walther hatten sich voneinander entfremdet. An Tagen wie diesem sehnte sich Runa mehr denn je nach Johanns Armen. Seine Berührungen, seine Stimme und sein Geruch schienen ihr auch nach so vielen Jahren noch allgegenwärtig. Die lieblichen Erinnerungen an ihre gemeinsamen Stunden waren ihr kostbarstes Gut.
Plötzlich durchfuhr es Runa wie ein Blitz. Als hätte sie ihn mit ihren bloßen Gedanken gerufen, tauchte er mit einem Mal aus dem Nichts heraus neben ihr auf und reihte sich nur wenige Schritte von ihr entfernt bei den Männern ein. Runa raubte es fast den Atem. Wie lange schon hatte sie ihn nicht mehr so deutlich zu Gesicht bekommen?
Noch immer war sein Gang aufrecht und sein Haar blond, wenn es mittlerweile auch schon von ein paar grauen Strähnen durchzogen war. Höflich wandte er sich nach links und nach rechts, um hier und da einen Gruß auszutauschen. Dann blieb sein Blick an Runa hängen. Länger, als es schicklich war, starrte er sie mit seinen blauen Augen an. Als er sich dessen jedoch bewusst wurde, deutete er schnell ein Kopfnicken an und wandte sich ab.
Zu flüchtig war der Moment, zu schnell wieder vorüber. Runas Herz frohlockte und schmerzte zugleich.
Margareta hatte von alldem nichts mitbekommen. Noch immer suchte sie förmlich nach den missgünstigen Blicken der lästerlichen Nachbarsweiber. »Siehst du, wie die Cruse schon wieder herüberblickt? Ich sage dir, Runa, die kann an gar nichts anderes mehr denken als an meine Jungfräulichkeit. Am liebsten würde ich der …«
»Ach, ärgere dich nicht«, gab Runa schnell zurück. »Die Nachricht von Herewards Geschenk wird auch sie sicher noch heute erreichen. Und dann vergeht ihr das Lachen.« Runa war froh, dass ihre Schwester abgelenkt von ihren eigenen Gedanken war, sodass sie ihre nur allzu offensichtlichen Gefühle für Johann
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