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Tochter des Ratsherrn

Tochter des Ratsherrn

Titel: Tochter des Ratsherrn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: J Tan
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Ragnhild hin und her. Aus dem Nichts heraus schlug er die flache Hand mit einem lauten Knall auf seinen Schreibtisch. »Ich soll mich verstecken wie ein Dieb? Mich heimlich davonschleichen, als würde ich mir aus Furcht vor den Bütteln in die Bruche pissen? Was bist du für ein Freund, der mir zu so etwas rät?« Aufgebracht sprang er von seinem Stuhl und fing an, im Kontor auf und ab zu gehen, wie es seine Art war. »Dass mein Weib mir einen solchen Vorschlag macht, kann ich ja noch verstehen, aber du, Walther? Ich sage dir eines, mein Freund: Lieber sterbe ich in den Kellern der Fronerei, als dass man mir nachsagt, ich sei ein Feigling.«
    Ragnhild schloss die Augen. Sie hätte es besser wissen müssen. Seit Albert vor vielen Jahren der Unterjochung seines älteren Bruders Conrad entflohen war, hatte er stets an Stärke dazugewonnen. Niemals mehr wollte er sich in den Jahren danach noch einmal schwach fühlen. Nein, er war kein Feigling, und das sollten auch die Ratsherren wissen!
    »Ich werde bleiben und mich meiner Strafe stellen, sei sie auch noch so furchtbar.« Dann ging er zu Godeke und zu Walther, legte beiden die Hände auf die Schultern und blickte jedem von ihnen lang in die Augen. »Ihr beide könnt mir eine Hilfe sein. Gebt acht auf meine Frau und meine Töchter. Beschützt sie, solange ich fort bin, und gebt mir darauf euer Wort.«
    Walther legte seinem Freund die Hand auf die Schulter, und Godeke nickte seinem Vater zu zum Zeichen, dass sie verstanden hatten.
    Dann war es so weit. Der Moment kam plötzlich, ohne einen Hinweis darauf, dass heute der Tag war, an dem sie sich würden trennen müssen, und dennoch stand in keinem der vier Gesichter Überraschung. Beinahe schien es, als wäre mit Alberts entschiedenen Worten eine neue Zeit angebrochen. Dieser Augenblick würde alles verändern, das wussten sie.
    Von der Diele aus ertönte ein bedrohlich lautes Pochen, gefolgt von geräuschvollem Poltern – das Trampeln vieler gestiefelter Füße und das metallene Klirren von Waffen. Ein spitzer Schrei drang aus einer weiblichen Kehle und schallte laut und deutlich durch die Diele die Stiegen hinauf bis zum Kontor.
    »Es ist so weit«, sagte Albert mit einer Ruhe, die nun auch seine Frau erfasste.
    Entschlossen trat Ragnhild auf Albert zu und legte ihre Hände auf seine Brust. »Ich werde auf dich warten, mein Gemahl. Und wenn es auch bedeutet, dass wir uns erst nach dem Tode im Himmelreich wiedersehen werden.«
    Noch einmal berührte Albert ihr Gesicht und lächelte, dann wandte er sich um und stellte sich schützend vor sie.
    Eccard Ribe und seine Männer stürmten zuerst in das Kontor. Sie hatten ihre Waffen nicht gezogen, doch ihre Hände ruhten bereits auf dem Heft, während sie Albert umzingelten. Als alle Männer in der großzügigen Kammer versammelt waren, folgte zu Alberts Überraschung Bürgermeister Willekin Aios mit einem Ratsboten.
    Das Erstaunen war Alberts Gesicht abzulesen. Er hatte fest damit gerechnet, dass die Büttel kommen und ihn holen würden. Grobe Kerle mit muskulösen Armen, die ihn packen und hinausschleifen würden, als sei er ein Kind. Niemals allerdings hatte er vermutet, dass es ein Ritter und der Bürgermeister höchstpersönlich sein würden, die sein Haus stürmten. Was hatte das zu bedeuten?
    Willekin Aios räusperte sich. Es war ihm deutlich anzusehen, dass er sich nicht wohl in seiner Haut fühlte. Der gräfliche Gesandte hatte ihn vor einer Stunde über alle Maßen überrascht. Noch vor wenigen Tagen war der Bürgermeister davon ausgegangen, dass der Verrat des Ratsherrn Albert von Holdenstede eine Angelegenheit des Rates sei, doch der Ritter, der sich als Eccard Ribe vorgestellt hatte, klärte ihn darüber auf, dass der von Albert von Holdenstede betrogene Graf Gerhard II. selber über des Ratsmanns Schicksal zu entscheiden beliebte. Aios war zunächst hin- und hergerissen gewesen, doch im Grunde kam ihm das Anliegen des Ritters sogar recht. Albert von Holdenstede würde seine Strafe erhalten, ohne dass er selbst dem geschätzten Ratsherrn ein Leid zufügen musste. Nun gab es für ihn nicht mehr viel zu tun, doch das wenige wollte sich der Bürgermeister nicht nehmen lassen. Zunächst aber erteilte er dem Ritter das Wort.
    »Albert von Holdenstede, die Anweisung meines Herrn, Graf von Gottes Gnaden, Gerhard II. von Holstein-Plön, lautet, Euch auf die Riepenburg ins Einlager zu begleiten. Dort werdet Ihr bleiben, bis Euer Handelspartner und Bürge, Thiderich

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