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Tochter des Windes - Roman

Tochter des Windes - Roman

Titel: Tochter des Windes - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Blanvalet-Verlag <München>
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ein paar Atemzüge lang, mein Herz schlug stürmisch, doch alles war wieder friedlich. Seitdem ich in Tokio war, hatte ich schon mehrere kleine Erdbeben erlebt. Mir wurde angst und bange dabei, die Japaner aber nahmen es gelassen. Fatalistisch wäre vielleicht das bessere Wort. Jedenfalls waren sie von einer Generation zur nächsten trainiert worden, einen kühlen Kopf zu bewahren. Was hätte es genutzt, wenn man sich die Haare raufte und schrie? Japaner lernten schon im Kindergarten, wie sie zu reagieren hatten: sofort unter die Tische kriechen oder in den Türrahmen stellen und sich irgendwo festhalten. Und jeden Heizkörper und jede Gasflamme ausschalten. Alle Mütter packten den Schulkindern eine Taschenlampe in den Rucksack, damit sie im Falle eines Stromausfalls gerüstet waren. Für draußen war empfohlen, sich in der Straßenmitte aufzuhalten, um nicht von herabstürzenden Ziegeln, Glasscherben oder anderen Gegenständen, die sich von den Hausfassaden lösen konnten, getroffen zu werden. Lauter Verhaltensregeln, die unter Umständen Leben retten konnten.
    Mia war wieder eingeschlafen, doch ich war hellwach, und mir war innerlich kalt. Und die Kopfschmerzen wurden nicht besser. Grippe, dachte der Hypochonder in mir. Ich musste mir Aspirin besorgen, ein Fieberthermometer gleich dazu. Außerdem war mir die Angst aus dem Kopf auf die Blase geschlagen. Ich konnte einfach nicht mehr liegen bleiben, ließ Mia ruhen und machte mich auf den Weg zum Gemeinschaftsbad.

30. Kapitel
    D asheiße Wasser und danach die kühle Dusche klärten meine Gedanken. Fieber? Nicht die Spur! Aspirin konnte ich mir wohl sparen. Ich dachte mit einem starken Glücksgefühl daran, dass ich Mia einen Heiratsantrag gemacht hatte und dass sie Ja gesagt hatte. Dabei hatten wir uns recht umständlich ausgedrückt, waren wir doch beide ziemlich aus der Übung. Als ich  – frisch rasiert, das Handtuch in bewährter Filmstar-Attitüde um den Hals gelegt – zurückkam, hatte das Zimmermädchen schon die Futons eingerollt und servierte das Frühstück. Mia kniete in eleganter Haltung vor dem Puppenhaus-Frisiertisch und ordnete ihr Haar, wobei sie sich mit dem Zimmermädchen über das Erdbeben unterhielt. Sie hatte das Damen-Badezimmer aufgesucht, lächelte mich an, frisch und schön wie der junge Morgen.
    Â»Hat dich das Erdbeben auch geweckt?«
    Â»Ja, aber dich nicht. Du hast weitergeschlafen.«
    Â»Wenn ich müde bin, schlafe ich wie ein Stein«, sagte Mia. »Angst gehabt?«, setzte sie zärtlich hinzu.
    Â»Bei Erdbeben habe ich immer Angst. Aber jetzt ist die Sache ja vorbei. Warum heulen die Hunde eigentlich noch?«, fragte ich das Zimmermädchen.
    Sie schüttelte den Kopf.
    Â»Ach, sie müssen sich erst wieder beruhigen. Ich mag es nicht, wenn sie heulen. Das hört sich sehr unheimlich an, ne?«

    Sie rutschte auf den Knien hinaus, verließ uns mit einer Verbeugung. Ein echt japanisches Frühstück ist durchaus gewöhnungsbedürftig, aber ich hatte mich schon daran gewöhnt, und es schmeckte mir gut. Die Fähre fuhr in vierzig Minuten. Kein Grund zur Hast also. Wir machten uns gemütlich auf den Weg zum Hafen. Draußen war alles wie sonst, die Fischerboote legten an, Marktfrauen, wegen der eisigen Kälte dick eingemummt, schleiften ihre Ware in die Markthalle. Die steigende Sonne war noch halb von den Bergen bedeckt, über der verschneiten Landschaft lagen lilafarbene Schatten. Große Vögel segelten am hellen Himmel über dem Meer, das dunkelblau funkelte. Die Fähre, die Michinoku-Maru, war schon bereit. Um diese Zeit  – und weil es noch Winter war  –, gab es nur wenige Passagiere. Die meisten waren Schiffs- und Werftarbeiter oder Leute, die mit der Fischfangindustrie zu tun hatten. Als die Michinoku-Maru aus dem Hafen auslief, blies uns der eisige Wind um die Ohren. Wir standen Schulter an Schulter an Deck, doch recht bald flüchteten wir vor der Kälte in den Aufenthaltsraum. Dort standen ein paar lange Tische und Stühle und eine kleine Bar, an der man Getränke bestellen konnte. Ich holte zwei Kaffee in einem Pappkarton. Wir setzten uns an einen der freien Tische und blickten durch die großen Scheiben nach draußen. Der Seegang war enorm. Mia erklärte mir, dass eine starke Strömung jedes Schiff erfasste, sobald es sich aus dem Schutz der

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