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Tochter des Windes - Roman

Tochter des Windes - Roman

Titel: Tochter des Windes - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Blanvalet-Verlag <München>
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entgeistert. »Was willst du damit sagen?«
    Ich rieb mir die Stirn, konnte vor Schmerzen kaum denken.
    Â»Ich will natürlich sagen, wenn wir wieder in Tokio sind.«
    Mia streichelte sanft meine Haare, zumindest die am Hinterkopf, die zum Glück noch dicht waren und es hoffentlich noch lange bleiben würden. Nach einer Weile sagte sie: »Eine solche Vorstellung machte mir bisher Angst. Darum habe ich lieber Häuser gebaut.«
    Â»Und jetzt? Willst du plötzlich keine mehr bauen?«
    Sie lachte, schüttelte den Kopf.
    Â»Das meine ich nicht. Was würdest du denn machen, wenn ich Nein sagen würde?«
    Â»Dann gehe ich wieder zurück nach Hamburg«, sagte ich. »Und, hopp, unter die U-Bahn! Ein Selbstmord mit Nostalgie.«
    Â»Warum willst du Geld für einen Flugschein ausgeben? In Shinjuku fährt jede Minute ein Zug ein.«
    Â»In der Tat. Ich könnte das gleich morgen erledigen.«
    Â»O nein«, sagte sie. »Schluss mit dem Quatsch! Kein Selbstmord.«
    Ich sah sie an, zunächst ohne ein Wort, ohne irgendeine Geste. Ich wollte nicht kitschig werden, à la Hollywood sozusagen. Die japanische Herberge, die schöne Frau, Liebe und Leid unter Pflaumenblüten (Kirschblüten kamen erst im April) und schamvoll zerdrückte Tränen.

    Â»Wenn du so bleibst, wie du bist«, sagte sie, »dann glaube ich, dass ich dich wohl ertragen kann …«
    Ich spürte einen Kloß in der Kehle.
    Â»Vielleicht verändere ich mich eines Tages … und dann findest du mich abscheulich!«
    Sie schüttelte den Kopf.
    Â»Ach, ich glaube nicht daran, dass Menschen sich so sehr verändern. Meines Erachtens bleiben sie sich im Wesen gleich.«
    Ich räusperte mich.
    Â»Und findest du mein Wesen erträglich?«
    Sie lachte leise auf, umschlang mich mit beiden Armen.
    Â»Ich kenne dich inzwischen ganz gut, glaube ich.«
    Ich rieb mein Kinn an ihrem glatten Hals.
    Â»Mmm … und was bedeutet das für dich?«
    Â»Dass ich jetzt weiß, dass du zuverlässig bist. Du bist ein guter Freund, Rainer.«
    Ich schluckte. Immerhin hatte ich bisher keine Träne verdrückt. Aber das kam vielleicht noch.
    Â»Ach, ist das alles?«
    Bevor sie eine Antwort gab, lehnte sie sich über den Tisch, senkte den Kopf auf die angewinkelten Arme. Ihr Haar teilte sich beiderseits ihres Hinterkopfes. Ich streichelte ihren Nacken, glitt mit den Fingern nach unten bis zu ihren Brüsten. Mir fiel auf, dass ihre Haut etwas klamm war. Nach einer Weile hob sie den Kopf, sprach langsam weiter. Sie hatte plötzlich etwas Verlorenes an sich, etwas, das sie sehr jung machte.
    Â»Ich habe nachgedacht. Das, was vorher war  – die Scheidung, meine ich  –, hat mir unendlich wehgetan. Als ich dich traf, war ich nicht im Gleichgewicht. Ich hatte mir geschworen, nie wieder. Dass du das nicht begreifst, wundert mich sehr.«

    Ich kam überhaupt nicht mehr mit. Worüber redete sie jetzt?
    Â»Dass ich was nicht begreife?«
    Â»Dass Zuverlässigkeit wesentlich ist. Liebe kann man nur eine Zeit lang empfinden, Freundschaft ist mehr. Weil in der Freundschaft alle Wünsche, alle Gedanken, alle Erwartungen geteilt werden. In der Freundschaft brauchen wir um nichts zu bitten, weil jeder die Wünsche des anderen kennt. Ich möchte eine gute Freundin für dich sein, Rainer.«
    Sie lächelte mich an, mit aller Zärtlichkeit, die sie hatte, und in diesem Augenblick erschien sie mir ganz unwirklich. Ich hatte das Gefühl, dass das alles nicht im wahren Leben geschah, sondern im Traum. Wenn man verliebt ist, will man mehr, immer mehr, es ist immer noch nicht genug. Man geht bis zum Äußersten, bis zur überseligen Bedrängnis. Das dauert eine Zeit lang, und plötzlich zerplatzt das ganze Pathos, man sieht nur die Aureole, ein Hauch von dem, was einst war. Aber Freundschaft ist etwas Beständiges. Ich holte tief Luft. Hoffentlich verstand ich sie nicht falsch.
    Â»Mit anderen Worten, du würdest mich heiraten? Willst du das wirklich?«
    Sie zwinkerte mir zu, mit beiden Augen gleichzeitig.
    Â»Hast du mir nicht gerade einen Antrag gemacht?«
    Â»Das habe ich.«
    Â»Und ich habe Ja gesagt, hast du das nicht begriffen?«
    Ich starrte sie an.
    Â»Sehr klar war das nicht, was du gesagt hast.«
    Sie kuschelte sich eng an mich.
    Â»Es tut mir wirklich leid, dass ich mich so umständlich ausgedrückt

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