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Tochter des Windes - Roman

Tochter des Windes - Roman

Titel: Tochter des Windes - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Blanvalet-Verlag <München>
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garantiert dir«, fragte Mia mit gewichtigem Ernst, »dass ich nicht auch eines Tages ein schönes, großes Katzenhaus bauen werde?«
    Â»Mitten in Tokio?«
    Â»Warum nicht in Hamburg? Das wäre doch eine Sensation!«
    Ich lachte sehr, aber der Seegang machte mir zu schaffen.
    Ich fühlte mich leicht mulmig, spürte eine eigenartige Unrast in mir. Ich war froh, als Tashiro-Jima in Sicht kam, größer wurde. Die Insel war eher flach, auf der einen Seite befand sich der Leuchtturm, auf der anderen eine kleine, bewaldete Anhöhe. Vermutlich gab es eine wärmere Strömung aus dem offenen Meer, denn in der leicht wolkigen Morgenlandschaft war die Insel schneefrei. Am Strand, der schmal und lang war, versetzten Riffe unter der Wasseroberfläche die Wellen in schaumigen Aufruhr. Diese Riffe wurden durch Bojen gekennzeichnet. Früher musste es für die Schiffe schwierig gewesen sein, die Küste zu erreichen. Inzwischen war ein Deich gebaut worden, sodass das Wasser eine Art Kanal bildete, in dem das Schiff problemlos Kurs auf den Hafen nehmen konnte. Weil die Fähre jetzt langsam fuhr und es weniger kalt war, konnten wir es an Deck gut aushalten. Wir standen an der Reling, und ich bemerkte, dass das
Wasser im Kanal sehr durchsichtig war und auf eigentümliche Weise rötlich leuchtete.
    Â»Seetang«, sagte Mia. »Er färbt sich rot, weil er im Frühling wächst.«
    Das Fährschiff legte am Pier an, die Ketten rasselten, und die Schrauben quietschten. Die Passagiere schoben Fahrräder und Motorroller an Land. Am Hafen befanden sich die Liegeplätze der Fischerboote, ein paar Lagerhäuser, eine kleine Werft und ein Kühlhaus. Als alle Passagiere an Land waren, stiegen einige alte Leute mit Einkaufstaschen aufs Schiff sowie eine kleine Gruppe fröhlich schwatzender Schulkinder, alle erstaunlich modisch ausstaffiert, mit dicken bunten Windjacken und lustigen Mützen. Die Überfahrt zweimal am Tag gehörte zu ihrem Schulkinderleben; sie nahmen die Fähre wie andere den Zug.
    Tashiro-Jima hatte, topografisch gesehen, ungefähr die Form einer Bohne. Die Küste war versandet und recht kahl, weil bei großen Stürmen das Wasser über sie hinwegfegte. Früher musste es dort einen großen Baumbestand gegeben haben, man sah noch alte Wurzeln, ausgebleicht wie Treibholz, dazu hohes braunes Gras und stellenweise kleine Sümpfe mit Schilf. Landeinwärts teilten sich zwei Dörfer, Oodomari und Nitoda, die Insel. Die niedrigen Häuser machten einen durchaus gepflegten Eindruck. Alles war geputzt und sauber, alle Wände waren gestrichen, manche in frischen Pastelltönen. Die Blechplatten der Dächer funkelten in der Morgensonne. Die engen Straßen zwischen den Gartenhecken waren asphaltiert, vor jedem Haus standen Blumentöpfe mit Pflanzen, die auf den Frühling warteten. Und überall waren Katzen. Ich hatte den Eindruck, dass mindestens zehn Katzen zu jedem Haus gehörten. Alle waren gut genährt, gut gebürstet, mit glänzendem Fell. Offenbar nahm man sich ihrer liebevoll an. Es gab große und kleine, sie liefen
in der Morgensonne herum, mit einer Hektik allerdings, die mir seltsam vorkam, da Katzen doch eigentlich geruhsame Tiere sind. Eine Frau in den blauen Pluderhosen der Bäuerinnen hatte kleine Näpfe mit Nahrungsmitteln vor ihren Garteneingang gestellt, lockte die Katzen mit Koseworten an. Doch die Katzen schienen seltsam distanziert, beunruhigt. Manche maunzten laut und misstönend; wenn der Wind für einen Augenblick nachließ, hörte man das Maunzen sehr deutlich. Wir mussten ein verwundertes Gesicht gemacht haben, denn die Frau nickte uns besorgt zu.
    Â»Sie wollen nicht fressen. Das kommt davon, weil heute Nacht das Erdbeben war.«
    Â»Ja«, sagte Mia, »auf dem Festland haben die Hunde geheult.«
    Die Frau lachte ein wenig.
    Â»Oh! Hier auf der Insel sind Hunde verboten. Alles gehört unseren Katzen!«
    Sie benutzte das Wort Maneki-Neko , das »Glückskatze« bedeutet. Dann wurde ihr Gesicht wieder ernst.
    Â»Sie maunzen überall auf der Insel, hören Sie das? Es muss kleine Nachbeben geben, die wir nicht spüren. Das kommt manchmal vor.«
    Einen Augenblick dachte ich darüber nach, was ich der Frau hätte sagen können. Aber mir fiel nichts dazu ein, und so nickte ich nur und musste dabei ein recht einfältiges Gesicht gemacht haben. Mia fragte bereits, wo

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