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Tochter des Windes - Roman

Tochter des Windes - Roman

Titel: Tochter des Windes - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Blanvalet-Verlag <München>
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Mia.
    Â»Praline und Mokka!«, antwortete Hatsue, und wir lachten.
    In sentimentaler Anwandlung ignorierte ich die Aufforderung »Bitte nicht schmusen!« und versuchte noch einmal, die schönen Köpfe zu kraulen, doch beide Katzen zogen sich argwöhnisch zurück. Nichts zu machen. Wir sollten sie in Ruhe lassen.
    Â»Vielleicht mögen sie keine Fremden«, meinte Mia.
    Hatsue schüttelte den Kopf.
    Â»Eigentlich sind sie neugierig und haben Besuch sehr gerne. Sie werden sich schon beruhigen.«
    Wir ließen die Katzen schmollen und überreichten unserer Gastgeberin die kleinen Kuchen aus süßem Bohnenquark, die wir am Morgen, bevor wir zur Fähre gingen, für sie gekauft hatten. Man besucht nie ein japanisches Haus, ohne ein Geschenk mitzubringen. Hatsue stapfte in ihren weißen Wollsocken über die Matten und schlüpfte schnell in bereitstehende Pantoffeln, als sie die Türschwelle zur Küche überschritt. Sie brachte grünen Tee, einen Espresso für mich und servierte die Leckereien aus Bohnenquark. Während sie geschäftig bald hierhin, bald dahin lief, sahen wir uns um.
    Das Haus war sorgfältig gepflegt. Die Tatamimatten hatten im Laufe der Zeit eine dunkle Färbung angenommen, sodass sie wie Gold schimmerten, und das Muster der Brokateinfassung war noch intakt. Die papiernen Lampenschirme, die polierten Möbel schufen eine altmodische, aber behagliche Atmosphäre. Wir saßen auf verblichenen Kissen vor einem niedrigen Tisch, der aus Sandelholz war. In der Tokonoma hing eine Schriftrolle mit einer Kalligrafie, und darunter befand
sich eine ornamentale Schnitzerei, die eine Katze darstellte. Der Körper der Katze war aus der knorrigen Wurzel eines Baumes herausgeschnitzt und glänzte wie eingeölt. Auf einer Kommode stand ein Fernseher, und an die Wände waren Postkarten und alte Kalenderbilder geheftet. An der Decke hing, wie ein Flugzeugpropeller, ein riesiger Ventilator für den Sommer. Alles in diesem Haus war am Rande des Kitsches und doch nicht kitschig, sondern ganz einfach gemütlich.
    Endlich setzte sich Hatsue, etwas atemlos, zu uns. Sie erzählte, dass sie bis vor Kurzem eine Art Bed and Breakfast nach englischem Vorbild in ihrem Haus eingerichtet hatte.
    Â»Im ersten Stock hatte mein Mann früher zwei Büros eingerichtet. Seitdem er nicht mehr da ist, brauche ich keine Büroräume mehr. Da habe ich die Zimmer an Touristen vermietet. Hotels gibt es ja nicht auf der Insel. Manche Gäste sind sogar wiedergekommen; das hat mich immer sehr gefreut. Aber jetzt hat sich Matsuo bei mir eingemietet. Ich bin sehr froh, dass er hier ist. So sind wir beide nicht so alleine. Es ist schwierig, wenn man älter wird und kaum jemand von der eigenen Familie noch übrig ist. Wie geht es übrigens Azai? Sie muss doch steinalt sein, nicht wahr? Hat sie immer noch ihre lockere Zunge?«
    Wir brachen in Lachen aus, und Mia antwortete: »Dass sie eine lockere Zunge hat, das kann man wohl sagen.«
    Hatsue lachte auch, aber stoßweise und etwas verlegen.
    Â»Früher, als Matsuo noch seine Praxis in Sendai führte, besuchte sie ihn dann und wann. Sie hatte immer etwas zu meckern  – sie war ja auch Ärztin  – und wusste alles besser. Matsuo wagte nicht zu widersprechen, sie war ja das Familienoberhaupt. Und Keiko, die hat sie geradezu tyrannisiert. Die arme Keiko … sie bekam Pickel, sobald Tante Azai auftauchte! Dann haben wir jahrelang nichts mehr von ihr gehört.
Wir hätten nie gedacht, dass sie noch so klar bei Verstand ist. Gestern, als Mia anrief, war er ganz aufgeregt! Was für eine erstaunliche Geschichte! Aber die Koga sind eine sehr alte, sehr bedeutende Familie.«
    Â»Wo ist Onkel Matsuo?«, fragte Mia.
    Â»Er musste in die Krankenstation. Ein Notfall. Aber ich denke, er wird bald hier sein. Was haben bloß meine Katzen?«, setzte sie mit einem Anflug von Unruhe hinzu. »Sie machen mich ganz nervös! Vielleicht wollen sie nach draußen.«
    Tatsächlich strichen Praline und Mokka in sehr schlechter Stimmung im Kreis herum. Sie maunzten und wimmerten. Ihr Fell war gesträubt, wie elektrisch geladen. Hatsue federte auf ihre Fersen zurück, stapfte zum Eingang.
    Â»Wollt ihr raus?«
    Sie machte die Tür weit auf. Beide Katzen hüpften argwöhnisch seitwärts.
    Â»Nun geht schon!«, sagte Hatsue.
    Die Katzen hielten die Augen auf sie

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