Tochter des Windes - Roman
SchweiÃ.«
»Mutter!«, rief ich empört.
Ihre blauen Augen glitzerten fröhlich. Sie führte mich in das Erkerzimmer, mit Blick auf den Garten. Auf dem Tisch stand eine groÃe Aprikosentorte, frisch aus dem Ofen und goldgelb gebacken. Daneben eine Schüssel mit Schlagsahne.
»Mmm!«, murmelte ich anerkennend. »Ob mir die wohl schmeckt?«
»Noch einmal«, sagte sie, »und ich klatsche dir ein Stück auf die Nase! Tee oder Kaffee?«
»Kaffee, gerne.«
Während ich mir die Hände waschen ging und mir Wasser ins Gesicht spritzte, war Mutter schon bei der Kaffeemaschine. Für sich hatte sie Tee aufgegossen, den sie mit Kandiszucker und Zitrone trank. Ich kam zurück und setzte mich, sah zu, wie sie geschickt den Kuchen anschnitt, und dachte amüsiert an Mia.
»Sie kann keinen Kuchen anschneiden«, sagte ich. »Und sie wirft alles um. Sie sagt, dass sie zwei linke Hände hat.«
Mutter wusste sofort, von wem die Rede war.
»Höchst ungewöhnlich für eine Japanerin, ja.«
»Ja. Und sie heiÃt Mia.«
»Hübscher Name«, Mutter schnitt elegant die Torte an, lieà ein Stück auf den Blümchenteller gleiten und gab einen dicken Klecks Sahne dazu. »Und wie stellst du dir vor, dass es weitergeht?«
Mein leichter Jogging-Rucksack stand neben dem Stuhl. Ich klaubte mein Kündigungsschreiben hervor und reichte ihn Mutter über den Tisch. Sie zog ihn behutsam aus dem
Umschlag. Ich sah, wie Wolken am Himmel, Ãberraschung, Bestürzung und Fassungslosigkeit über ihr Gesicht ziehen.
»Das meinst du doch wohl nicht im Ernst«, sagte sie.
Ich stopfte fröhlich Torte in mich hinein.
»Doch. Wenn ich jetzt nicht kündige, verliere ich drei Monate.«
»So einen guten Job«, sagte sie kopfschüttelnd. »Bist du verrückt geworden?«
»Nein. Im Gegenteil, klarsichtiger denn je.«
»Uff!«, stieà sie hervor, was auch immer das bedeutete.
Worauf ich es allerdings für erforderlich hielt, ihr zu erklären, dass sich ein Mann irgendwann dem Dilemma stellen musste, sich zwischen dem Leben innerhalb der üblichen Langeweile und dem Leben auÃerhalb zu entscheiden, was sich entweder als Glücksfall oder als totales Fiasko entpuppen konnte.
Mutter schüttelte nur den Kopf dazu. Sie faltete den Brief wieder zusammen und gab ihn mir mit den Worten zurück: »Du bist wirklich unverbesserlich. Und das wegen einer Frau! Aber wenn ichâs recht bedenke, dein Vater war nicht anders.«
»Der Apfel fällt nicht weit vom Stamm«, bemerkte ich heiter.
Sie nahm einen Schluck Tee, teilte ihr Gebäck mit einer Kuchengabel, kaute, schluckte.
»Erzähl mir von ihr«, sagte sie dann.
»Von Mia?«
»Ja, von Mia.«
Ich holte mein Handy aus der Tasche und zeigte ihr zuerst ein paar Bilder.
»Hübsch!« sagte Amalia. »Eine Miniatur!«
Ich erzählte ein wenig und bekam dabei rote Ohren. Sie stützte ihren Kopf in beide Hände, musterte mich argwöhnisch und sehr genau.
»Wenn du über deinen Job redest, hört es sich an, als ob du Jahre im Gulag verbracht hättest. Und sobald es um Mia geht, wirst du lyrisch.«
»Woran merkst du das?«
»An deiner Stimme natürlich. Du erinnerst mich an Dietrich Fischer-Dieskau, wenn er die âºSchöne Müllerinâ¹ singt.«
Ich war geschmeichelt.
»Wirklich?«
»Mit dem Unterschied, dass du nicht Bariton bist. Du bist Tenor, und ein schlechter noch dazu.«
»Dass du immer kaltes Wasser auf meine Begeisterung schütten musst â¦Â«
Sie parierte ungerührt.
»Ach Gott, ich bin halt blasiert. Bei Tanja war es am Anfang doch auch so. Himmelhoch jauchzend, zu Tode betrübt. Und dass du schreiben willst, ist auch nichts Neues. Aber dass es ausgerechnet in Japan sein muss â¦Â«
»Warum nicht in Japan?«, konterte ich.
Mutter war zu groÃer Objektivität fähig, ein Charakterzug, der ihr half, unsentimental zu urteilen. Auf ihre Frage, ob ich denn glaubte, ein guter Autor zu werden, erwiderte ich, dass ich ja noch nichts geschrieben hatte, womit ich angeben konnte.
»Nur ein paar Beiträge in Zeitschriften, hast du das schon vergessen?«
Sie quittierte es mit einem Achselzucken. Nein, sie entsann sich nicht mehr, ein Grund noch dazu, um mir nichts darauf einzubilden. Auf Mutters zweite Frage, ob ich meine Wohnung aufgeben wollte,
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