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Tochter des Windes - Roman

Tochter des Windes - Roman

Titel: Tochter des Windes - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Blanvalet-Verlag <München>
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interessanteste Ereignis Japans, und runzelte tadelnd die Brauen, wenn ich mal zögerte. »Katerfrühstück!« Mia lächelte liebreizend. »Gleich geht es dir besser.«
    Unglaublich war, dass es stimmte. Je mehr ich mir den Bauch vollschlug, je wacher wurde ich. Meine Kopfschmerzen verschwanden. Mia indessen knabberte an ihrem Toast, ließ Krümel fallen und trank Schwarztee dazu.
    Â»Nun, wie fühlst du dich?«, fragte sie, als mein Teller leer war.
    Â»Gut«, sagte ich, relativ verblüfft. Das Zeug war tatsächlich effizient.
    Â»Noch ein Espresso?«
    Ich gab ihr ein Zeichen sitzen zu bleiben und stand auf, weil ich aufs Klo musste. Der Gang zum Klo verlief einer unsichtbaren geraden Linie entlang, und ich legte ihn ohne zu schwanken zurück. Drinnen blieb ich auch nicht lang sitzen. Alles funktionierte bestens. Tatsächlich hängt das Wohlwollen des Menschen von seiner guten Verdauung ab. Ich ging in bester Laune zur Kaffeemaschine, kam mit festen Schritten und zwei Espressi zurück. Mia sah belustigt zu mir empor. Ich nickte ihr zu.
    Â»Wie neugeboren!«
    Â»Sake sieht wie Wasser aus und schmeckt überhaupt nicht aufdringlich«, sagte Mia. »Und dann hast du die Bescherung.«
    Â»Ein teuflisches Zeug!«, rief ich. »Tückisch, niederträchtig und gemein!«
    Â»Jetzt weißt du Bescheid.«

    Ich war immer noch nicht beruhigt.
    Â»Was soll dein Bruder von mir denken?«
    Â»Oh, der findet dich großartig! Das hat ihm gefallen gestern Abend, das hatte Niveau. Wer betrunken ist, zeigt sein wahres Wesen.«
    Ich rührte Zucker in meinen Espresso, der hier besser schmeckte als in Italien.
    Â»Ich dachte, ich hätte mich in Grund und Boden blamiert.«
    Sie wedelte verneinend mit der Hand.
    Â»Im Gegenteil! Für uns ist der Rausch ein heiliger Zustand. Wir glauben, dass die wahre Persönlichkeit eines Menschen sich erst in der Trunkenheit zeigt. Stell dir mal vor, du hättest herumgepöbelt und alles kaputtgeschmissen. Aber nein! Du hast nur, ach, so wunderschön gesungen!«
    Â»Ich habe überhaupt nicht, ach, so wunderschön gesungen, ich habe…«
    Ich stockte, sah Mia ungläubig an.
    Â»Sag bloß, du hast mich getestet!«
    Â»Oh«, konterte sie vergnügt, »du hast die Prüfung glänzend bestanden. Ich bin sehr froh darüber.«
    Ich lehnte mich erschlagen gegen das Polster zurück und sagte mit matter Simme: »Na, dann bin ich aber wirklich beruhigt.«
    Â»Doch, doch! Denke mal nach, Rainer, das ist doch ganz logisch!«
    Â»Na ja«, gab ich resigniert zu, »wenn man hierzulande äh … yuppi, yuppi sein muss, um sich Freunde zu machen …«
    Mia zwinkerte mit beiden Augen gleichzeitig.
    Â»Da siehst du nur, wie wichtig das ist. Und du brauchst dich wirklich nicht bei Isao zu entschuldigen.«
    Â»Was soll ich ihm denn sagen?«

    Â»Bedanke dich einfach für den schönen Abend.«
    Â»Noch etwas«, sagte ich fragend. »Wer hat denn eigentlich unser Abendessen bezahlt?«
    Jetzt lachte sie fröhlich auf.
    Â»Die Firma natürlich. Wir setzen es von der Steuer ab.«

14. Kapitel
    M ia wollte mir zuerst die Firma zeigen. Am Nachmittag stand dann ein Besuch bei der Tante auf dem Programm. Die alte Dame würde dann entscheiden, ob ich in ihrem Haus wohnen durfte oder nicht. Ich bezweifelte, dass ich sie mit einem Hüftschwung, yuppi, yuppi oder der Loreley verführen konnte. Mit Aachener Printen hatte ich vielleicht die besseren Chancen.
    Wir fuhren also wieder mit der  – diesmal fast leeren  – U-Bahn. Man hätte auf dem spiegelblanken Boden essen können, und die blau bezogenen Polsterbänke wiesen nicht den geringsten Flecken auf. Die Abertausende von Allerwertesten, die sich tagtäglich hier niederließen, hatten sie lediglich ausgebeult.
    Mia erklärte, dass wir zum Viertel Marunouchi fuhren, nur ein paar Stationen weiter. Marunouchi war ein attraktives, modernes Viertel, mit gepflegten Blumenbeeten und hohen Bäumen. Die breiten Straßen vermittelten mir erneut diesen seltsamen Eindruck von Déjà-vu . Bekannt und doch anders. Tatsächlich lag eine hanseatische Eleganz und Großzügigkeit in der Luft. Der Hafen war nicht weit, der Wind schmeckte nach Meer. Tokio war überhaupt nicht der Ort, den ich mir vorgestellt hatte. Aber was wusste ich von dem wirklichen Leben dieser Stadt? Man

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