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Tochter des Windes - Roman

Tochter des Windes - Roman

Titel: Tochter des Windes - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Blanvalet-Verlag <München>
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mich ab. Dann rasierte ich mich mit pedantischer Sorgfalt, kämmte mich, putzte mir die Zähne. Hübsch sah ich nicht aus, aber immerhin besser. Rückblickend dachte ich voller Schreck, dass ich seit meiner Studienzeit nie mehr so besoffen gewesen war. Aber kein Nesselfieber, keine Spur von einem Pickel. Da hatte ich ja mal Glück gehabt. Ich zog frisches Zeug an, gab die verschwitzte Wäsche in den Laundry -Sack und machte mich auf den Weg zum Frühstücksraum. Es war schon spät, nur wenige Gäste waren noch anwesend. Ich warf einen lustlosen Blick auf das Frühstücksangebot und holte mir einen doppelten Espresso. Den brauchte ich jetzt dringend, um zu Verstand zu kommen. Himmel, was hatte ich angerichtet! Ich trank meinen Kaffee, ausgesprochen verkatert und entsetzt über mich selbst, als eine fröhliche Stimme meinen Namen rief.
    Â»Rainer! Na, wie geht es dir?«

    Mia, etwas atemlos und frisch duftend wie der junge Morgen, ließ sich vor mir auf den Stuhl fallen. Sie sah wunderschön aus, ihr Gesicht war rosig, ihre Augen leuchtend, das Haar frisch gewaschen. Sie trug ein weißes Baumwolltop, darüber einen dunkelblauen Hosenanzug. Einfach umwerfend. Ich sah sie gequält an.
    Â»Ich fühle mich scheußlich.«
    Sie warf amüsiert ihr Haar aus der Stirn.
    Â»Warte, das kriegen wir gleich wieder hin.«
    Â»Ich glaube«, sagte ich deprimiert, »ich habe mich schwer danebenbenommen.«
    Sie brach in fröhliches Gelächter aus.
    Â»Aber nein, aber nein. Im Gegenteil, es war herrlich!«
    Â»Herrlich?«
    Â»Ja, ja, mach dir keine Sorgen!«
    Â»Was soll bloß dein Bruder von mir denken?«
    Â»Isao? Der war entzückt. Komm, Rainer, mach nicht so ein Gesicht! Du musst jetzt frühstücken, dann geht es dir besser.«
    Allein schon die Vorstellung eines stinknormalen Toasts ließ mich schaudern.
    Â»Nein, danke, Mia, mir wird schlecht …«
    Sie schob ihren Stuhl zurück.
    Â»Bleib sitzen, trinke deinen Kaffee, ich hole dir jetzt das Frühstück.«
    Schlimmer kann es nicht werden, dachte ich trübsinnig und lehnte mich zurück. Im Großen und Ganzen glaubte ich doch, bei meinen Freunden und Vertrauten einen guten Ruf zu haben, und jetzt hatte ich die Vision, dass mir besagter guter Ruf wie ein Haufen zerschmetterter Sakebecher zu Füßen lag. Schockiert über mich selbst sah ich, wie Mia ein Tablett auf mich zu balancierte, auf dem sich zwei Teller, ein großer und ein kleiner, befanden. Den kleinen stellte sie vor
sich hin, darauf lagen ein Toast, drei Salatblätter und zwei Radieschen. Der große Teller war für mich. Wahrscheinlich hatte ich jetzt glasige Augen, wollte nicht glauben, was ich sah: Vor mir lagen Salm mit Rettich, eine halbe Seezunge, gekochte Garnelen, ein Stück roher Thunfisch, eingelegtes Gemüse mit Bohnen, Gurken, Apfel-Sellerie-Salat mit gehacktem Ingwer und eine Portion Rührei mit Schinken. Dazu, in einer kleinen Holzschale, eine Suppe mit Pilzen, in der ein paar Muscheln schwammen.
    Â»Mia, bist du wahnsinnig?«, stöhnte ich.
    Â»Iss!«, sagte sie in einem Ton, der keine Widerrede zuließ. »Iss alles auf!«
    Während ich lustlos einen Bissen Rührei in den Mund schob, nahm Mia ein winziges Schälchen aus Plastik, zog eine dünne Haut aus Zellophan ab, mischte einige Zutaten und rührte das Ganze kräftig um. Das Zeug zog zähe gelbe Fäden, die an den Stäbchen klebten. Ich schüttelte mich.
    Â»Igitt!«
    Â» Natto! « Mia nannte mir den Namen der grausigen Sache. »Du musst jetzt Natto essen, das tut dir gut!« Ich fischte ein paar Fäden aus dem Schälchen.
    Â»Was ist das?«
    Â» Natto wird aus Sojabohnen hergestellt und ist genau das Richtige für müde Männer.«
    Â»Ich bin nicht müde, ich bin …«
    Â»Doch, du bist müde. Los!«
    Â»Igitt!«
    Das Zeug war mit scharfem grünem Senf vermischt und schmeckte penetrant nach Salmiakgeist. Das Wasser stieg mir in die Augen. Meine Nase kribbelte, ich musste niesen, tastete blindlings nach der Papierserviette. Mir blieben die Fäden am Kinn hängen.
    Â»Muss ich das wirklich essen?«

    Â»Alles«, sagte sie streng.
    Â»Und was ist mit dir?«, sabberte ich.
    Â»Ich habe schon zu Hause gefrühstückt. Ich esse nur, um dir Gesellschaft zu leisten.«
    Sie beobachtete jeden Bissen, den ich in den Mund schob, als sei es das

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